Aus Anlass ihres 90sten Geburtstages führte Bernhard Denscher im Jahr 1999 ein Gespräch mit Margit Doppler über ihr erfolgreiches Leben als Grafikerin und was es mit dem Kirstein-Blockmalz-Männchen wirklich auf sich hat: Margit Doppler (1909 – 2001) war eine österreichische Pionierin moderner Werbegrafik. Im Gespräch mit ihr bewies sie ihren Sinn für Humor, der auch auf ihren Plakaten und in ihren Buchillustrationen offensichtlich wird. Die geborene Wienerin lebte in Stadlau im Bezirk Donaustadt. 2006 wurde auf Anregung ihres Heimatbezirkes zur Erinnerung an diese besondere Persönlichkeit von der Kulturabteilung der Stadt Wien die „Margit-Doppler-Gasse“ benannt.
Ein Ausschnitt aus dem Interview im O-Ton:
Denscher: Sie sind eine der wenigen Frauen Ihrer Generation, die so großen Erfolg im Bereich der Gebrauchsgrafik gehabt haben. Wie sind Sie zu diesem Beruf gekommen?
Doppler: Ich habe immer gezeichnet – schon als ich ganz klein war. Ich habe nie mit Puppen gespielt, aber ich habe immer gezeichnet und habe nichts anderes wollen – und Klavier gespielt habe ich auch. Meine Ausbildung waren Volksschule, Bürgerschule und dann bin ich in die „Graphische Lehr- und Versuchsanstalt“ in der Westbahnstraße gegangen.
Denscher: Waren zu Ihrer Zeit noch wenige Mädchen dort?
Doppler: Nein, während meiner Ausbildung waren schon sehr viele Mädchen in der „Graphischen“. Es war auch der bekannte Josef Seger dort, der dann später Lehrer an der „Graphischen“ war. Wir waren immer in Konkurrenz, der Seger und ich. Der Wettbewerb war groß: Es sind ja von zirka 80 nur 25 aufgenommen worden. Und er war der erste, der Seger, und ich war die zweite.
Denscher: Später ist Josef Seger mit seinen Entwürfen von Banknoten und Briefmarken tatsächlich sehr erfolgreich gewesen. Wann waren Sie gemeinsam mit ihm an der „Graphischen“?
Doppler: Ich begann dort mit vierzehneinhalb Jahren, also 1923, und blieb drei Jahre, also bis 1926, danach habe ich dann im Atelier Pollak zu arbeiten begonnen. Meine Kollegen waren Rudolf Kerschbaum und Anton Ziegler. Pollak war ein sehr gütiger und einsichtsvoller Chef, er war sehr zufrieden mit mir und hat mir im zweiten Monat gleich mein Gehalt aufgebessert. Das Atelier war auf Filmplakate spezialisiert. Ich musste mir immer den Film anschauen, manchmal zwei Mal, dann bekam ich Fotos, und das andere musste ich aus der Fantasie dazumachen.
Denscher: Man weiß relativ wenig über Georg Pollak, wissen Sie noch etwas über sein weiteres Leben?
Doppler: Pollak war Jude und ist dann mit seiner Frau in die Schweiz gegangen. Seine Frau war ja Schweizerin. Ich glaube nicht, dass er nach dem Krieg wieder zurückgekommen ist.
Denscher: Wie sah Ihre weitere Laufbahn aus?
Doppler: Ich habe mit Ziegler und meinem Onkel das Trio-Atelier gegründet. Mein Onkel war kein Grafiker, er war der Kaufmann. Wir haben damals nicht nur Entwurf, sondern Entwurf und Druck finanziert. Dann kam die Tonfilmkrise und dann war es eine Zeit lang aus. Es hatten nicht alle Kinos die Tonfilmeinrichtung, man brauchte also weniger Filmplakate, und da haben wir zugesperrt. Finanziell haben wir nichts verloren, sondern es ist mit „Null komma Josef“ ausgegangen.
Denscher: Danach haben Sie bei Joseph Binder gearbeitet?
Doppler: Im Atelier Binder habe ich schöne Frauengesichter für die Tabakregie gemacht. Und eines Tages hat die Chefin, Frau Binder, geglaubt, sie darf mich anschreien. Da habe ich gesagt „Ich lasse mich nicht anschreien“ und habe alles liegen und stehen gelassen und bin gegangen. Das war nach neun Monaten. Joseph Binder selbst war sehr angenehm, aber er hat sich halt gegen seine Frau nicht getraut.
Denscher: Haben Sie Erinnerungen an andere Grafiker der Zwischenkriegszeit, haben Sie zum Beispiel Victor Slama gekannt?
Doppler: Der Slama wollte, dass ich nach Prag fahre und ihm das Atelier einrichte. Da habe ich gesagt: „Nein, das kann ich nicht, ich habe meine Wohnung da und meine Kinder sind da, es ist nicht möglich.“
Ganz kurz nur war ich im Atelier „Otto“: Mit dem Otto habe ich was erlebt, der hat gesagt „Sie können nix, es ist schade um die Farbe, die Sie hier verpatzen.“ Na, da bin ich gleich gegangen.
Der Inhaber Otto Löbl war kein Grafiker, wie ich dort war, hat er nur den Hauptzeichner und dessen Freundin als Angestellte gehabt, und als dritte wäre ich gekommen, sonst hatte er keine Mitarbeiter. Und er hat hinüber gesehen in das Atelier vom Hans Neumann und da hat er immer gespechtelt, was der hat, was er macht.
Denscher: Wie ging es dann bei Ihnen weiter?
Doppler: Dann habe ich angefangen, für den Kirstein zu arbeiten. Da habe ich 40 Jahre lang die ganze Werbung gemacht. Ich war nicht angestellt, sondern habe diese Tätigkeit in Selbständigkeit durchgeführt. Ich habe das Blockmalz-Manderl erst lebendig, also beweglich gemacht. Es war eine Figur aus lauter Blockmalz-Bonbons, aus den Blöcken habe ich lebendige Manderln gezeichnet.
Denscher: Hat es das Blockmalz-Männchen schon vorher gegeben?
Doppler: Die haben davor ein fixes, starres Männchen gehabt, und ich erst habe das Symbol zu einer sich bewegenden Figur belebt.
Denscher: Damit hat man als Konsument eine größere Identifikation zum Produkt bekommen, war das die Idee?
Doppler: Ja. Der Herr Kirstein hat auch große Lieferwagen gehabt, da war natürlich nicht so viel drinnen, aber das war propagandamäßig sehr gut, und ich habe die Autos außen bemalt.
Denscher: Das heißt, die Firma hat eigentlich größere Autos gehabt als sie gebraucht hätte, damit es nach mehr aussieht?
Doppler: Ja, er hat gesagt, das ist propagandistisch sehr gut, wenn man solche Trümmer Wagen sieht und liest „Kirstein Blockmalz“. Ich habe auch die Schrift für „Kirstein Blockmalz“ erfunden, und ich habe dann einmal ein Auto gemacht, da habe ich lauter Kirstein-Manderln hinaufsteigen lassen. Die habe ich auch direkt auf den Wagen gemalt, das hat sehr gut ausgeschaut.
Denscher: Haben Sie auch Verpackungen entworfen?
Doppler: Aber ja, viele Verpackungen. Wissen Sie, ich bin nicht geschäftstüchtig. Ich habe für Kirstein Entwürfe gemacht, so eine Mappe voll, und statt dass ich die wieder zurücknehme, habe ich sie dort gelassen. Ich habe so gute Ideen gehabt, und er hat gesagt „nein“, und nach einer gewissen Zeit hat er sie herausgenommen und hat gesagt „Das war meine Idee“.
Denscher: Sie haben dann dafür kein Geld bekommen?
Doppler: Nein.
Denscher: Hat es da keine fixen Verträge gegeben?
Doppler: Nein, Kirstein hat eigentlich nach seinem Ermessen bezahlt. Ich habe eine sehr gute Pension gehabt – mein verstorbener Mann Franz Doppler war ja Universitätsprofessor gewesen – und bin nicht darauf angestanden.
Denscher: Es hat Ihnen offenbar Spaß gemacht, das zu entwerfen.
Doppler: Ich habe immer gearbeitet, ich konnte ohne Arbeit nicht sein.
Denscher: Haben Sie neben dem Blockmalz noch weiterhin Filmplakate und anderes gemacht?
Doppler: Filmplakate nicht, aber ich habe nach dem Krieg sehr viele Kinderbücher illustriert. Das waren sehr schöne Sachen. Da hat die Frau Gusti Bretschneider die Texte verfasst, und ich habe die Illustrationen dazu gemacht. Das waren zum Beispiel „KingFu, der lustige Zauberer“, „Schnapuzzi, der Schnupfenzwerg“, „Die Heulsuse“, „Der Urwaldlausbub“.
Ich habe auch sehr viele Mosaike gelegt, aber nur für den privaten Gebrauch.
Denscher: Haben Sie ein Atelier geführt?
Doppler: Ich war der größte Einmannbetrieb, ich habe hier zu Hause gearbeitet.
Drei Jahr lang habe ich auch die Bundesheer-Illustrierte gemacht, das heißt Lay-out und Illustrationen. Ich bin da von einem anderen Atelier empfohlen worden, und wie ich mich vorgestellt habe, wurde ich vom Ressortverantwortlichen gefragt: „Wie stehen Sie zum Militär?“, und ich antwortete: „Ich bin natürlich Pazifist!“. Da sagte er: „Und da wollen Sie etwas für das Militär machen!“ Und ich: „Warum nicht, der Leonardo da Vinci hat das heilige Abendmahl gemalt und hat die schrecklichsten Kriegsmaschinen erfunden, die auch ausgeführt wurden, der Franz Werfel war Jude und hat das ‚Lied von Bernadette’ geschrieben, und der Johann Sebastian Bach war Protestant und hat katholische Messen komponiert. Warum soll ich nicht das auch können.“ Da sagte er: „Also Sie imponieren mir!“
Ja, man muss sich zur richtigen Zeit etwas einfallen lassen.
DAS GESPRÄCH FÜHRTE BERNHARD DENSCHER AM 24.9.1999.
Der Tochter von Margit Doppler, Frau Xenia Katzenstein, wird herzlich für die Bereitstellung der Fotos gedankt.