Das Werten und Bewerten von Plakaten kann nach sehr verschiedenen Maßstäben erfolgen. Aus dem Unterschied zwischen der Marktbewertung eines Blattes, das heißt seines aktuellen Gegenwertes in Geld auf der einen Seite und des ideellen Wertes, der sich aus verschiedenen Voraussetzungen bildet, auf der anderen Seite, ergibt sich zum Teil eine erhebliche Differenz. Dieser Unterschied ist z.B. immer dann von Bedeutung, wenn die verschiedenen Bewertungsmaßstäbe direkt aufeinandertreffen.
Der Geldwert eines Plakates regelt sich am Markt, Angebot und Nachfrage bestimmen in der Regel dessen Preis. Faktoren, wie Bekanntheitsgrad des Künstlers, Seltenheit, Erhaltungszustand, Mode, Motiv, spezielles Interesse u.a.m. bestimmen dann im Einzelnen den Marktwert eines Blattes.
Hier hat sich international ein Kreis von Händlern und Auktionshäusern etabliert, die professionell die Marktbewertung von Plakaten vorzunehmen im Stande sind, Trends erkennen und manchmal durch ihr Angebot diese auch befördern oder verkürzen können.
Es gelten erzielte Auktionspreise immer auch als Maßstab für die Festlegung eines Versicherungswertes gleichartiger Blätter in anderen Sammlungen. Allerspätestens hier beginnt das Bewertungsproblem. Das Blatt, welches auf der Auktion versteigert wurde, war aber von einer bestimmten Größe und in einem bestimmten Zustand, und es traf bei der Auktion auf eine zufällige, ja vielleicht sogar einmalig kombinierte Gruppe von Interessenten und Bietern. Eingedenk der schon früher genannten – und manchmal auch von Irrationalität getragenen – Bewertungsfaktoren entsteht ein Preis.
Unklar bleibt, ob der so erzielte Preis den Marktwert des Plakates tatsächlich wiedergibt, oder ob er lediglich Ausdruck einer bestimmten Bieter-Konstellation ist. Erst die Beobachtung der Preisentwicklung eines Blattes über einen längeren Zeitraum mag Auskunft über seinen durchschnittlichen, und damit „wirklichen“ Wert geben. Sehr hilfreich dabei sind die Bücher „Poster Prices” und „Preisindex Plakate”.
Der ideelle Wert eines Blattes ergibt sich zum einen ganz allgemein aus seiner Stellung innerhalb regionaler, nationaler oder internationaler Plakatgeschichtsschreibung und im Speziellen aus dem Sammlungsprofil der Plakatsammlung, z.B. eines Museums, Archivs oder eines Sammlers. Natürlich gilt dies im übertragenen Sinne auch für die subjektive Bewertung von Blättern, zum Beispiel in privaten Sammlungen. Erinnerungen oder besondere Erlebnisse, die mit dem Plakat verbunden sind, stellen eine innere Bindung, einen individuellen Wert dar. Der ideelle Wert hängt also unmittelbar vom Sammlungsziel – beziehungsweise Bewahrungszweck – ab. Für ein politisch orientiertes Museum dürften Plakate großer Künstler nur bedingt von Interesse sein; wenn eine Sammlung sich auf Schweizer Plakate konzentriert, so dürften Plakate anderer Länder eine untergeordnete Bewertung erfahren; wenn jemand Plakate zu einem bestimmten Thema sammelt, so sind Plakate anderer Themen von geringerem Interesse.
In der jeweils spezialisierten Sammlung wird man sich bei Ankauf oder Tausch natürlich fragen: Ist dieses oder jenes Plakat für unsere Sammlung wichtig bzw. unerlässlich, welchen Betrag in Geld ist es uns wert?
Erst jetzt beginnt die Marktorientierung. Dann wird man feststellen, dass die gewünschten Plakate am Markt entweder erstaunlich billig oder unerschwinglich sind. Und hier beginnt das Problem: Ganz unterschiedliche Bewertungssysteme sollen zusammenfinden. Relativ problemlos geschieht dies beim Kauf von Plakaten in Auktionen oder Galerien, man hat hier einfach die existierenden Bewertungen zu akzeptieren.
Ganz anders beim Tausch, zu dem immer mehr Museen und Archive (des Geldmangels wegen) gezwungen sein werden; auch der Handel, ständig um neue Quellen bemüht, wird sich hier engagieren wollen. Gerade der Tausch birgt aber immer die Gefahr, dass die eine oder andere Seite sich letztlich ungerecht behandelt fühlt (im Extremfall gilt dies dann für beide Tauschparteien!).
Dies kann zwar immer passieren, doch wie man dem aus der Sicht der unterschiedlichen Bewertung von Plakaten vorbeugen kann, soll im Folgenden erläutert werden.
- Man sollte sich bei der Entscheidungsfindung Zeit lassen und damit rechnen, dass es ein längerer Prozess wird.
- Je ausführlicher die Vorgespräche zwischen den Tauschpartnern, um so besser das gegenseitige Verständnis.
- Das Einholen zusätzlicher Informationen über die Sammlung oder Person des potentiellen Tauschpartners ist sinnvoll (bei Einhaltung der notwendigen Diskretion).
- Bei der Zusammenstellung der zu tauschenden Plakate sollte man (ideelle wie finanzielle) Prioritäten setzen.
- Der Tauschvergleich sollte nie nur über den potentiellen Marktwert vorgenommen werden (wer nicht am Markt arbeitet, sollte sich unbedingt neutralen Rat holen).
- Der Tauschvergleich sollte immer auch den ideellen Wert berücksichtigen.
- Man sollte von Anfang an sich immer wieder die Frage stellen: Würde ich diesen Tausch (wenn er so wie geplant abläuft) wiederholen? Beantwortet man für sich die Frage mit ja, sollte man weiter an der Sache arbeiten.
- Ob eine schriftliche Vereinbarung von Nöten ist, sollte man von Fall zu Fall entscheiden.
Lässt man sich also Zeit und bespricht viel im Vorfeld, holt Rat neutraler Fachleute, so dürfte viel dafür getan worden sein, ein schlechtes Gefühl nach dem Tausch auf der einen oder anderen Seite vermeiden zu helfen. Denn: ein einziger Tausch, der massiv gegen das Prinzip der Gegenseitigkeit verstößt und zu Lasten eines Partners geht, macht in der kleinen Plakat-Gemeinde früher oder später die Runde und kann zum generellen Ende des Tauschens von Plakaten zwischen verschiedenen Bewertungssystemen führen. Dem sollte man vorbeugen.
Die Chance besteht im Tausch für die eine wie für die andere Seite, ihre Sammlungen zu günstigen Konditionen zu erweitern und im Idealfall längerfristige Tauschbeziehungen aufzubauen. Die Gefahr eines nicht fairen Tausches besteht besonders dann, wenn die gegenseitigen, verschiedenen Interessen am Plakat nicht genügend beim Tausch berücksichtigt werden.
Aktualisierte und überarbeitete Fassung des 1997 erstmals erschienenen Artikels:
Grohnert, René: Wert ist eben nicht gleich Wert, in: PlakatJournal 1997/2,S.19ff.
Dem Autor und den Herausgebern von PlakatJournal, René Grohnert und Jörg Weigelt, wird für die Genehmigung zur Veröffentlichung dieses Beitrages in deutscher und englischer Sprache gedankt.