Eines der populärsten Plakatsujets ist die Eisenbahn. Das beweist nicht nur die große Nachfrage nach historischen Bahnplakaten, sei es im Original oder auch als Nachdruck, sondern auch das hohe Interesse an Publikationen und Ausstellungen zum Thema. So etwa zeigte das Deutsche Plakatmuseum im Museum Folkwang in Essen von November 2010 bis Januar 2011 die Schau „Mit dem Zug durch Europa. Plakate für Luxusreisen um 1900“, zu der auch ein sachkundiger und detailreicher Katalog erschienen ist.
Dass das Thema Eisenbahn auch international ankommt, beweist der Band „Affiches du chemin de fer“ von Thierry Favre. 2010 erschien das französische Original, 2011 folgten englische, italienische und deutsche Übersetzungen. Das Buch ist großzügig ausgestattet, man erfährt darin viel über die Geschichte der Eisenbahn von ihren Anfängen bis heute. Favre ist ein fachkundiger Darsteller des Themas, er erklärt viele Details der Technikgeschichte und geht dabei bis in Einzelheiten – so etwa weiß er sogar von der Elektrifizierung der österreichischen Mariazeller Bahn zu berichten. Doch leider enthält das Buch weder Anmerkungen noch ein Literaturverzeichnis, mit dessen Hilfe man nachvollziehen könnte, woher der Autor seine Informationen bezog.
Über den Text hinaus bietet der Band eine repräsentative Bildauswahl von mehr als 200 Eisenbahnplakaten, die mit Fachkenntnis ausgewählt wurden. Auch hier finden sich einige Österreichbezüge, wie etwa das bemerkenswerte Blatt von Alois Mitschek für den „Arlberg Orient Express“. Autor und Lektorat haben sich in diesem Fall allerdings nur mit der Angabe des Familiennamens, der auf dem Plakat vermerkt ist, begnügt. Es war ihnen offenbar nicht der Mühe wert, eine 0,37 Sekunden Google-Recherche auf sich zu nehmen, um den Vornamen des Gestalters herauszufinden.
Thierry Favre zeigt sich in seinem Text überhaupt erstaunlich uninteressiert an den Plakaten und ihren Gestaltern, strikt wird die Erzählung über die Entwicklung der Eisenbahnen durchgezogen und kaum Bezug auf die dargestellten Affichen genommen. So bietet das Buch zwei getrennte Teile, eine kurz gefasste Geschichte der Eisenbahnen und einen eigenen Bildteil ohne direkten Bezug zum Text. Leider ist damit – wieder einmal – eine Plakat-Publikation erschienen, in der der vielschichtige kulturhistorische Quellenwert der Plakate negiert wird und die Affichen lediglich zur simplen „Behübschung“ eines Bandes verwendet werden.
Favre, Thierry: Eisenbahnplakate, München 2011.