Das Urteil ist gefällt: Formell ging es nur um ein einziges Plakat, nämlich um den bekannten roten Hund, entworfen von Thomas Theodor Heine als Werbung für die Zeitschrift „Simplicissimus“. Um den Streitwert gering zu halten, wurde nur um dieses eine Blatt prozessiert, doch im Mittelpunkt stand eigentlich die komplette Sammlung von Hans Sachs. Dieser gehörte in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu den bedeutendsten Protagonisten der deutschen Sammlerszene. Im Bereich Plakat war der Berliner Zahnarzt ein international angesehener und unbestrittener Experte. Mit der Gründung des „Vereins für Plakatfreunde“ im Jahr 1905 und insbesondere mit der Herausgabe der Zeitschrift „Das Plakat“, die ab 1910 erschien, schuf Hans Sachs bedeutende Plattformen für die Beschäftigung mit dem neuen Werbemedium. Er selbst konnte dabei im Lauf der Jahre eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen von Plakaten aufbauen. 1938 musste Hans Sachs mit seiner Frau und seinem erst einjährigen Sohn Peter vor dem Nazi-Terror in die USA fliehen. Seine Sammlung wurde vom Reichspropagandaministerium beschlagnahmt. Nach dem Krieg galt die Kollektion als verschollen, Hans Sachs erhielt 1961 dafür von der Bundesrepublik Deutschland eine “Wiedergutmachungszahlung” von DM 225.000. Erst danach erfuhr er, dass sich Teile seiner Sammlung im Museum für Deutsche Geschichte in Ost-Berlin in der DDR erhalten hatten. Der kommunistische deutsche Staat verweigerte Sachs die Einsicht in den Bestand und verbot dem zuständigen Museums-Kustos den Kontakt mit Sachs. 1974 starb Hans Sachs in New York – ohne je seine Plakate wieder gesehen zu haben.
Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde das Museum für Deutsche Geschichte in das Deutsche Historische Museum umgewandelt. Als 2005 Peter Sachs als Erbe von Hans Sachs das Museum aufforderte, die Sammlung seines Vaters herauszugeben, wurde dies vom Museum abgelehnt, und ein siebenjähriger Rechtsstreit durch mehrere Instanzen begann. Peter Sachs bot dabei auch an, die von seinem Vater bezogene Entschädigungszahlung zu refundieren.
Nun hat der Bundesgerichtshof am 16. März 2012 entschieden, dass „der Eigentümer eines durch nationalsozialistisches Unrecht entzogenen Kunstwerks, dieses nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften von dem heutigen Besitzer herausverlangen kann, wenn das Kunstwerk nach dem Krieg verschollen war und deshalb nicht nach den Vorschriften des alliierten Rückerstattungsrechts zurückverlangt werden konnte.“ Dies bedeutet, dass die bisher umstrittene Sammlung an den Sohn zurückgehen wird, weil nach diesem Urteil des Gerichtshofes Hans Sachs und dessen Erben in all den Wirren der Geschichte immer Eigentümer der Sammlung geblieben waren. Das Deutsche Historische Museum gab in einer ersten Stellungnahme zum Urteil des Bundesgerichtshofes bekannt, dass man „zeitnah mit Peter Sachs zusammenkommen“ wolle, „um eine zügige und einvernehmliche Abwicklung der Eigentums- und Besitzverhältnisse vorzunehmen.“
Es ist zu hoffen, dass sich die entsprechenden Stellen nun auf einen konstruktiven Weg besinnen, damit der Sachs-Bestand in einer öffentlichen Sammlung in Deutschland erhalten bleibt. Zweifellos gäbe es hier neben dem „Deutschen Historischen Museum“ auch andere Institutionen, in denen man sowohl Kapazität wie Kompetenz genug besitzt, um diesen wertvollen Bestand gut zu betreuen und das Andenken an Hans Sachs entsprechend bewahren zu können.
Weitere Hinweise:
Deutscher Bundesgerichtshof Karlsruhe: Pressemitteilung Nr. 39/12 vom 16.3.2012