Tempo – das war bei der Entwicklung des Automobils von Anfang an ein bestimmendes Thema, war doch die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in den industrialisierten Staaten der Welt von der Beschleunigung aller Lebensbereiche geprägt: „Das Auto hat mehr als die meisten anderen Erfindungen unsere Gesellschaft verändert und seine rapide Entwicklung hat in ihren Anfängen eine Explosion bei den Kommunikationsmedien und Marketingtechniken verursacht, wobei das Plakat eine eminent wichtige Rolle spielte“, schreibt der Publizist und Sammler Emmanuel Lopez in der Einführung zu seinem Buch über die Geschichte der Auto-Plakate. Im Herbst 2011 ist die Publikation im französischen Original, 2012 in italienischer Übersetzung und nun 2014 im Londoner Verlag „Antique Collectors‘ Club“ auf Englisch erschienen.
Die reich illustrierte Geschichte der Autowerbung wird von den Vorläufern der Autoindustrie über die Belle Époque bis zum „Goldenen Zeitalter“ der Plakatkunst in der Zwischenkriegszeit erzählt. Dazu kommen noch Affichen zu den Themenkreisen „Rennen und Wettbewerbe“, „Internationale Automobilausstellungen“ und „Koloniale Auto-Expeditionen“. Eine Auswahl an Kurzbiografien der wichtigsten Grafikdesigner komplettiert die umfassende Publikation.
Autobegeisterte, Plakatsammler, aber auch kulturhistorisch Interessierte werden viele bemerkenswerte Details in dem auch optisch gut ausgestatteten Bildband finden. Auffallend ist zum Beispiel, dass zunächst in der Reklame relativ oft Frauen am Steuer der Automobile zu sehen sind. Dies hängt nicht nur mit der Strategie einer erotisierenden Produktwerbung zusammen, sondern auch mit der Tatsache, dass Frauen in der Anfangszeit des Autos durchaus eine beachtenswerte Rolle spielten und erst in den folgenden Jahrzehnten vom Lenkrad auf den Beifahrersitz verdrängt wurden. Immerhin wurde die erste Überlandfahrt über mehr als 100 km im Jahr 1888 von einer Frau, nämlich von Bertha Benz, unternommen.
Der Kult um die Geschwindigkeit, wie er sich in der einhundertjährigen Geschichte der Autowerbung manifestiert, wurde zu einem bestimmenden Mythos der Moderne. Der amerikanische Historiker Henry Adams bemerkte 1909 dazu: „Die Welt hat zwischen 1800 und 1900 ihren Schritt, ihre Bewegung nicht verdoppelt oder verdreifacht, sondern gemessen an allen wissenschaftlichen bekannten Standards wie Pferdekraft, Kalorien, Volt, Masse etc. sind um 1900 die Spannung, Vibration und der sogenannte Fortschritt der Gesellschaft tausendfach größer als um 1800.“
Ein besonders sinnfälliges Dokument zu diesem Phänomen der Beschleunigung stellt das französische Plakat für Darracq-Automobile dar: Das unscharfe Bild eines dahinrasenden Autos ist mit dem Slogan „Schneller als Kodak!!….“ versehen. Hier wurde das moderne, schnelle Auto gegen das damals ebenso hippe Produkt „Kodak-Fotoapparat“ offensichtlich ausgespielt, wobei die so beworbene Automarke natürlich der unbestrittene Sieger ist.
Lopez, Emmanuel: Car Posters, London 2014.