Hermann Kosel wuchs in einem anregenden kreativen Milieu auf: Sein Vater, Hermann Clemens Kosel, war „k.u.k. Hofphotograph“ und gehörte zu den Fotopionieren Österreichs. Schon als Kind assistierte Hermann Kosel jun. dem Vater bei dessen Arbeit im Atelier und wurde stets von Kosel sen., der auch Maler, Grafiker und Schriftsteller war, in seinen künstlerischen Ambitionen gefördert.
Der am 20. März 1896 in Wien geborene Hermann Kosel besuchte nach dem Abschluss des Gymnasiums von 1911 bis 1914 die Wiener Akademie der bildenden Künste, wo er bei Rudolf Bacher und Ferdinand Schmutzer studierte. Nach seinem Militärdienst während des Ersten Weltkriegs begann Kosel zunächst eine Laufbahn als Porträtmaler. 1921 gründete er gemeinsam mit seinem Freund Rolf Frey ein Atelier für Gebrauchsgrafik, das auch bisweilen unter dem Namen „Cosl-Frey“ firmierte. Von Anfang an standen die Arbeiten aus diesem Studio für topaktuelles, modernes Design, wie etwa die nur in Schwarz und Rot gehaltene Plakatserie für den Wiener Rikola-Verlag zeigt.[1]
Rolf Frey betreute in dieser Zusammenarbeit mehr die organisatorischen Belange, während Hermann Kosel vor allem den kreativen Part übernahm. Bald wurde Julius Klinger auf den jungen Grafiker aufmerksam und engagierte Kosel als Lehrer für seine private „Schule für Gebrauchsgraphik“. Auch in dem 1923 von Julius Klinger herausgegebenen Buch „Poster Art in Vienna“[2] ist das Team „Cosl-Frey“ prominent vertreten. 1924 ging Rolf Frey nach Berlin, und Hermann Kosel arbeitete vorerst alleine, bis er 1925 mit Erwin Gibson eine neue Ateliergemeinschaft einging. Zwei Jahre später endete auch diese Kooperation, und Kosel entschloss sich, von nun an ein eigenes Atelier ohne Partner zu führen. In dieser Zeit entwickelte er sich weg von seinen sehr reduktionistischen grafischen Anfängen und wurde – wohl auch unter dem Einfluss des Art déco – weicher und farbenbetonter in seiner Ausdrucksform. Großen Erfolg hatte Kosel mit seinen modischen Blättern vor allem im Bereich der Tourismuswerbung.[3] Sehr produktiv war er außerdem als Buchgestalter.[4]
Im September 1938 floh Hermann Kosel mit seiner jüdischen Frau Nelly in die Schweiz, wo er erneut versuchte, sich eine Karriere als Grafikdesigner aufzubauen. Allerdings fand diese sehr bald wieder ein Ende, denn zwischen 1939 bis 1949 lebten Kosel und seine Frau in Aix-en-Provence, wo er sich hauptsächlich als Landschaftsmaler betätigte. Danach kehrte das Ehepaar nach Wien zurück, und erst dort wandte sich Hermann Kosel wieder verstärkt der Gebrauchsgrafik zu. Dabei arbeitete er vor allem für kulturelle Institutionen: Das Kulturamt der Stadt Wien, die Wiener Festwochen und auch das Historische Museum der Stadt Wien waren dabei wichtige Auftraggeber.
Kosels damaliges Naheverhältnis zur Wiener Stadtverwaltung zeigt sich auch darin, dass er einige interessante „Kunst am Bau-Projekte“ im Bereich des sozialen Wohnbaus der Stadt Wien durchführen konnte.
Anlässlich seines 50-jährigen Berufsjubiläums im Jahr 1971 wurde Hermann Kosel mit einer Präsentation seines gebrauchsgrafischen Lebenswerkes in der Säulenhalle des Österreichischen Museums für angewandte Kunst geehrt. Kosel gestaltete dafür das Plakat und das Titelblatt des Kataloges in einem radikalen Reduktionismus, der an die Anfänge seines Schaffens erinnert. Der damalige Leiter des Museums, Wilhelm Mrazek, ging in seinem Katalogbeitrag ausführlich auf diesen Plakatentwurf ein, weil er ihn als exemplarisch für das gesamte Lebenswerk von Hermann Kosel betrachtete: „Mit dem letzten Plakat, das der gegenwärtigen Ausstellung ‚50 Jahre Kosel-Plakate‘ gewidmet ist, wird in der einfachsten und signifikantesten Weise auf die Darbietung eines fünfzigjährigen Lebenswerkes verwiesen. In einer Zeit, in der sich die Plakatkunst immer mehr von den gültigen Prinzipien der Flächenkunst entfernt und in der außerkünstlerische Faktoren immer mehr über Hand nehmen, zeigt Hermann Kosel nochmals, worauf es ihm ankommt: auf Konzentration und Komprimierung einer Idee zu einem einfachen, allgemein verständlichen Zeichen.“[5]
Am 12. Dezember 1983 verstarb Hermann Kosel in Wien, seine Frau Nelly drei Jahre später.
Printpublikation in: Bernhard Denscher, Gebrauchsgrafik aus Österreich. 51 Lebensläufe. Aesculus Verlag, Wolkersdorf 2022, S.168ff.
[1] Hall, Murray G.: Hermann Kosel: Von Rikola zum Buchkontor, in: Denscher, Bernhard (Hrsg.): Austrian Posters. Beiträge zur Geschichte der visuellen Kommunikation. 2010–2019, Wien 2020, S. 325f.
[2] Poster Art in Vienna, Chicago 1923.
[3] Smetana, Alexandra: Farbtafeln, in: Noever, Peter (Hrsg.): Hermann Kosel, The holy every day, Wien 2003 (=MAK Studies 4), S. 76ff.
[4] Hall, Murray G.: Hermann Kosel als Buchgestalter. Am Beispiel des Fiba Verlags Wien–Leipzig, in: Denscher, Bernhard (Hrsg.): Werbung Kunst und Medien in Wien (1888–1928), Wolkersdorf 2021, S. 153ff.
[5] Mrazek, Wilhelm: 50 Jahre Kosel-Plakate. Ausstellung im Österreichischen Museum für angewandte Kunst, Wien 1971, S. 4.