Als mit Leopold Stolba ein wenig bekannter Name der österreichischen Kunstgeschichte als Inspirationsquelle für den Modeschöpfer Karl Lagerfeld auftauchte, mag das für viele erstaunlich gewesen sein. Auch wenn nicht sehr viel über das Leben des eher stillen und introvertierten Künstlers bekannt ist, so ist Stolba durchaus allen ein Begriff, die sich für die Wiener Kunst um 1900 interessieren.
Leopold Stolba wurde am 11. November 1863 in Gaudenzdorf (heute zu Wien gehörig) geboren. Seine Eltern waren wohlhabende Wiener Tschechen. Bereits mit fünfzehn Jahren wurde er in die Akademie der Bildenden Künste in Wien aufgenommen, wo er Bildhauerei bei Carl Kundmann und Edmund Hellmer studierte. Nach dem Studienabschluss im Jahr 1890 widmete sich Stolba jedoch ausschließlich der Malerei und der Grafik, wobei dieser Spartenwechsel höchstwahrscheinlich gesundheitliche Gründe zur Ursache hatte.
Schon während seiner Studienzeit war Leopold Stolba Mitglied der „Hagengesellschaft“, einer Vorform des „Hagenbundes“. Zeit seines Lebens blieb er dieser Künstlervereinigung als deren Archivar und Sekretär verbunden, wurde aber nie offizielles Mitglied des „Hagenbundes“. Tatsächlich aufgenommen wurde er im Jahr 1900 in die Wiener „Secession“. 1902 wurde er auch Mitglied des Redaktionskomitees von Ver sacrum, der Zeitschrift der Secessionisten, und schuf in dieser Funktion zahlreiche Bildbeiträge für das Magazin. Im Jahr 1902 veröffentlichte Stolba darin neben einer Reihe von Illustrationen auch einige Stoffentwürfe, von denen einer dann Karl Lagerfeld 2013 für seine Kollektion für Fendi zu einigen Kreationen inspirierte (siehe folgende rechte Abbildung).
In den Jahren 1904 und 1905 zeichnete Leopold Stolba für Kataloggestaltungen und ebenso für drei bemerkenswerte Ausstellungsplakate der Secession verantwortlich. In dieser Periode seines Schaffens war er überaus aktiv und es gelangen ihm besonders innovative Arbeiten. Im Speziellen sind hier Tunk- und Kleisterpapiere[1] zu nennen, die von 1903 bis 1906 entstanden und die zu den frühesten Beispielen abstrakter Malerei[2] gezählt werden.
Nach 1908 dominierten vor allem Blumenstudien das Werk von Leopold Stolba, der außerdem auch ein begabter Karikaturist war. Dass Stolba in der Folge sein thematisch eng gestecktes Oeuvre sehr konsequent und kompromisslos entwickeln konnte, hängt mit dem Engagement der Familie Wittgenstein zusammen, die ihm und auch anderen seiner Kollegen als Auftraggeber und Mäzen in der so schwierigen Zwischenkriegszeit das wirtschaftliche Überleben ermöglichte.
Am 17. November 1929 verstarb Leopold Stolba an den Folgen einer Lungentuberkulose. Anlässlich der Gedenkausstellung im darauffolgenden Jahr in der Secession schrieb sein Kollege Rudolf Bacher über Persönlichkeit und Werk von Leopold Stolba: „Ebenso stand er auch im Leben, stand er Fremden und Freunden gegenüber, bei herzlichstem Wohlwollen Distanz haltend. Nie zu nehmen, doch stets zu geben bereit, aus dem reichen Schatze seiner tiefen Bildung. Weil er unter allen Umständen nur er und eigen blieb, war er als Mensch und Künstler verehrt und geliebt von seinen alten Kollegen, die ihn näher kannten, wie von den aufstrebenden Jungen: denn seine Kunst steht außerhalb aller Mode und Zeit.“[3]
[1] Siehe: Krist, Gabriela: Leopold Stolba (1863–1929) und seine Tunk- und Kleisterpapiere, Diss., Salzburg 1989.
[2] Zaunschirm, Thomas: Wien und die Anfänge der Abstraktion. In: Orient und Okzident im Spiegel der Kunst. Festschrift H. G. Franz zum 70. Geburtstag. Graz 1986, S.465ff.
[3] Bacher, Rudolf: Leopold Stolba. In: [Katalog der] CXIV. Ausstellung der Vereinigung bildender Künstler Wiener Secession, Wien 1930, S. 14.
Printpublikation in: Bernhard Denscher, Gebrauchsgrafik aus Österreich. 51 Lebensläufe. Aesculus Verlag, Wolkersdorf 2022, S. 16–19.