„Binder war ein absolut modern denkender Großstadtmensch“, erinnerte sich seine Frau und langjährige Weggefährtin Carla Binder an ihren Mann, „man kann das gar nicht anders sagen.“ Joseph Binder war seit den 1920er Jahren einer der innovativsten Designer Österreichs und konnte – nachdem er 1936 in die USA gegangen war und in New York ein Atelier gegründet hatte – auch die amerikanische Szene nachhaltig beeinflussen.
Geboren wurde Joseph Binder am 3. März 1898 in Wien. Nach der Absolvierung einer Lithographenlehre besuchte er die Kunstgewerbeschule in seiner Heimatstadt, wo er bei Bertold Löffler studierte. Danach war er zunächst in der Ateliergemeinschaft ESBETA tätig, bis er sich 1924 mit einem eigenen Atelier selbständig machte. Die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten: Bald kreierte er komplette Werbelinien für Unternehmen, wie für die Kaffee- und Teefirmen Arabia und Julius Meinl.
Relativ rasch wurden seine Arbeiten international wahrgenommen und in angesehenen Fachmagazinen publiziert. So schrieb etwa Hermann Karl Frenzel 1928 in der deutschen Zeitschrift „Gebrauchsgraphik“ über Joseph Binder: „Er ist der geborene Plakat-Künstler. Es gelingt ihm immer, jede Aufgabe in einer so kurzen Formel zusammenzufassen, daß das oberste Gesetz aller Plakatkunst: die optische Einfachheit und schnelle Faßlichkeit, erreicht wird.“ Aufgrund dieser internationalen Anerkennung erhielt Joseph Binder einen Lehrauftrag in den USA. 1934 veröffentlichte er dann in dem in London und New York situierten Verlag der Fachzeitschrift „The Studio“ die Publikation „Colour in Advertising“, was auch dokumentiert, wie gezielt Joseph Binder auf eine Karriere in Amerika hinarbeitete. Das erste Kapitel des Buches beginnt mit den Worten: „Colour is the poster-painter’s chief means of creating effect. It is his vital factor, but for that very reason it is necessary in the first place to understand clearly what the laws of colour are.” Das Buch ist in der Folge der Klärung der Bedeutung der Farben im Bereich angewandter Grafik gewidmet, wobei der Autor das Thema in exemplarischer Weise erörterte.
1936 gingen Joseph Binder und seine Frau Carla endgültig nach New York. Sein dort neu gegründetes Studio hatte sehr rasch Erfolg. Hier betreute er wieder ein breites grafisches Spektrum, das von Firmenlogos über Inserate und Plakate bis zu Zeitschriftencovers reichte. Eine wertvolle Hilfe bot in dieser Zeit aufgrund seiner Deutschkenntnisse Alex Steinweiss, der im Atelier von Binder arbeitete und von den Gestaltungsprinzipien seines Chefs stark beeinflusst wurde. Einige Jahre später erfand Steinweiss den Typus des grafisch gestalteten Schallplattencovers für die Firma „Columbia Records“.
Bald hatte sich Joseph Binder über ein geschicktes Eigenmarketing mit Networking, Publikationen und gezielten Teilnahmen an Wettbewerben einen guten Namen in seiner neuen Heimat geschaffen. Arbeiten für das amerikanische Rote Kreuz oder die Fluglinie „United Airlines“ dokumentieren sein hohes internationales Ansehen als Grafikdesigner. 1948 wurde Binder Art Director der U.S. Navy Recruiting Stations und behielt diese Funktion bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1963.
Ende der 1950er Jahre wandte sich Binder – im Werbegeschäft weiterhin überaus erfolgreich – zunächst noch etwas zögerlich der freien Malerei zu. Hier konnte er den Weg der Abstraktion, den er in seinen angewandten Arbeiten begonnen hatte, noch konsequenter weiterführen. Später erinnerte er sich an seine diesbezüglichen Anfänge: „Ich arbeitete drei Jahre, um mein erstes Pastell fertig zu stellen (6, 1965, Grüne Erde). Fredrick Kiesler kam, um mich zu besuchen. ‚Was machst du denn?‘ fragte er scherzend wie immer bei seinen Besuchen, ‚machst du Plakate, machst du Geld?‘ Als er das Pastell sah: ‚Das ist so neu, die müssen alle gezeigt werden, damit man weiß, daß sie gemacht sind.‘“ Seine sehr reduzierten, abstrakten Bilder nannte Binder „Nonobjective Art“.
Während der Vorbereitungen zu einer repräsentativen Ausstellung seiner Werke im „Museum für angewandte Kunst“ in Wien verstarb Joseph Binder am 26. Juni 1972.
Durchaus kritisch gegenüber der Konsumkultur, der er so lange als Propagandist gedient hatte, notierte Binder einmal: „Wir kaufen, wir werfen weg, zum Schluß auch unser Leben, wir sehen es nicht.“
Weiterführende Literatur:
Binder, Joseph: Colour in Advertising, London – New York 1934.
Binder, Carla: Joseph Binder, ein Gestalter seiner Umwelt, Plakate, Werke graphischer und freier Kunst, Aufzeichnungen aus der Joseph Binder Collection, Wien – München 1976.
Frenzel, Hermann Karl: Joseph Binder, in: Gebrauchsgraphik, 1928/3, S. 31–45.
Kern, Anita: Joseph Binder. Protagonist der Moderne, Wien 2012 (=/design/er/leben/, Band 8.1).
Kern, Anita: Joseph Binder. Art Director in the USA, Vienna 2016 (=/design/er/leben/, vol. 8.2).
Noever, Peter (Hrsg.): Joseph Binder, Wien – New York, Wien 2001 (=MAK Studies 1).
Herrn Dr. Gustav Belousek wird herzlich für die Genehmigung der Verwendung der Abbildungen gedankt.