Historische Wintersportplakate – und da vor allem Werbegrafiken für den Skilauf – erfreuen sich bei Sammlerinnen und Sammlern zunehmender Beliebtheit. Nicolette Tomkinson, Leiterin des „Poster Department“ von „Christie’s South Kensington“, stellt diese Entwicklung aus ihrer Sicht folgendermaßen dar: „As poster specialist at Christie’s, a combination of increasing demand from clients for ski posters, the impact of the visual images and a personal passion for the sport, gave me the idea of a specialist Ski Sale. From the inaugural sale in February 1998 until today, the market has continued to grow, reaching a peak in 2008, when the sale realized over three quarters of a million pounds for the first time. “ Und dieser Trend setzt sich fort, im Jänner 2015 erzielte das Silvaplana-Plakat von Johannes Handschin bei Christie’s nicht weniger als EUR 45.000.
Auch das renommierte Genfer Plakatantiquariat „Galerie Un deux trois“ hat stets zu Jahresbeginn einen eigenen Wintersport-Schwerpunkt in seinem Programm. Jean-Daniel Clerc, nicht nur Eigentümer der Galerie, sondern auch seit Jahrzehnten selbst passionierter Sammler, hat nun gemeinsam mit dem früheren Direktor der „Bibliothèque de Genève“ und Plakatspezialisten Jean-Charles Giroud den prachtvoll ausgestatteten Band „Affiches de sports d’hiver“ herausgegeben. Das 40cm mal 31cm große Buch bietet eine repräsentative Auswahl besten Winterportdesigns in hervorragender Druckqualität. Erhältlich ist die großformatige Publikation nicht nur in französischer Sprache, sondern sie ist gleichzeitig auch unter dem Titel „Winter sports in vintage poster art: snow, luxury & pleasure“ in einer bilingualen englisch-deutschen Ausgabe erschienen.
Angesichts der fein abgestimmten Auswahl des Bildmaterials und im Hinblick auf die hohe „Plakataffinität“ des Autorenduos überraschen jedoch die Fehler, die den beiden Herausgebern bei den österreichischen Beispielen unterlaufen sind: Dass das bekannte Murtal-Bahn-Plakat einem „Gust. Jahn“ zugeschrieben wird, wirkt überaus unambitioniert, noch dazu im Hinblick darauf, dass es zu Gustav Jahn nicht nur einen ausführlichen Wikipedia-Eintrag gibt, sondern auch eine eigene hervorragende Website. Dass Josef Eberle kein Entwerfer, sondern eine österreichische Druckerei war, hätte Menschen, die sich seit Jahrzehnten mit Plakaten beschäftigen, auffallen können. Diese fehlerhafte Zuschreibung findet sich für die Affiche „Plaisirs d’hiver en Autriche“, die noch dazu deutlich das Signet von TRIGA enthält und damit eindeutig Fritz Grünböck zuordenbar ist. Bei einer einschlägigen Arbeit von Walter Hofmann hätte man das Fragezeichen bei der Datierung 1957 weglassen kann, weil diese Wintersportwerbung in der Saison 1957/58 nachweislich im Einsatz war. Das bekannte 1930er-Jahre-Plakat mit den drei Skiläufern bei einer Tiefschnee-Schussfahrt trägt das Signet bp, von dem wohl jeder am Thema Interessierte weiß, dass sich dahinter Fritz Bernhard verbirgt, der gemeinsam mit Bobby von Pillis ein Atelier führte, wobei der Kompagnon allein für die wirtschaftlichen Belange zuständig war und sich somit das Kürzel bp erklären und damit auflösen lässt. Auch bei dem bekannten Plakat, auf dem zwei Skiläuferinnen einen darüber hoch erfreuten Schneemann küssen, hätte man sich die Beschreibung „vers 1960“ ersparen können, sondern, wie die einschlägige Sekundärliteratur zeigt, mit 1956/57 datieren können. Der Hinweis „Anonyme“ bezüglich des Urhebers ist erstaunlich, gehört das Blatt doch zu den bekannten Arbeiten von Paul Aigner.
Man kann nicht alles wissen, doch einige der genannten Fehler wären mit einer Fünfsekunden-Internetrecherche zu vermeiden gewesen, der Rest über eine Konsultation des von Christian Maryška im Jahr 2004 herausgegebenen Kataloges „Schnee von gestern. Winterplakate der Österreichischen Nationalbibliothek“, den man als Autor eines Ski-Plakat-Buches einfach kennen muss.
Clerc, Jean-Daniel – Jean-Charles Giroud: Affiches de sports d’hiver, Paris 2014.