Als Ehrengast und „leader in graphic contemporary design“ wurde Joseph Binder gemeinsam mit Frank Lloyd Wright („greatest architect of all time“) anlässlich einer Gala-Nacht des „Art Directors Club Chicago“ im Jahr 1948 angekündigt. Diese respektvolle Charakterisierung war kein Einzelfall: Joseph Binder war in diesen Jahren in den USA als einer der Größten in seinem Fach anerkannt. Erst 1936 war er mit seiner Frau Carla in die Vereinigten Staaten gekommen und konnte trotz der kriegsbedingten widrigen Umstände sehr bald große Erfolge als Designer aber auch als Lehrender verbuchen. Nachlesen kann man diese erstaunliche Entwicklung in dem von Anita Kern penibel recherchierten Band „Joseph Binder. Art Director“, der vorerst nur in englischer Fassung vorliegt.
Im Rahmen der verdienstvollen Reihe „/design/er/leben/“ hat Kern bereits im Jahr 2012 mit der Publikation „Joseph Binder. Protagonist der Moderne“ Leben und Werk des Grafikers während seiner Zeit in Österreich beleuchtet. In dem nun aktuell erschienenen, konzisen, aber dennoch aufschlussreichen Text werden Aspekte und Fakten aus der amerikanischen Phase in Binders Leben aufgearbeitet.
War Binder in Österreich ein erfolgreicher Werbegrafiker, der ein renommiertes Atelier führte, gewesen, so musste er in den USA als Freelancer wieder neu beginnen. Geholfen hat ihm dabei sicherlich auch, dass er seit 1933 mit einigen Lecture Tours in den USA seinen Namen in der Fachwelt positionieren konnte. Nun galt es allerdings auch, die Auftraggeber zu erreichen.
Ein Coup, der seinen diesbezüglichen Marktwert erheblich steigerte, gelang Binder 1938, als er den ersten Preis des Plakatwettbewerbs für die „New York World’s Fair“ gewann. Wie man bei Kern nachlesen kann, schrieb damals das renommierte „New York Journal“: „Like a sponge, Binder absorbed the spirit of 20th century America so completely, in fact, that he has produced the official poster for the World’s Fair. […] The Viennese triumphed over all contending artists. Several million copies of his poster will be broadcast throughout the world.” Binder hatte sich bei dem geladenen Wettbewerb unter anderem gegen so berühmte Designer wie Alexey Brodovitch und Lester Beall durchgesetzt. Der Art Director der „New York World’s Fair“, Bob Smith, erklärte dazu: „The Binder design was selected as the best of those submitted, not only because it seemed closer to the Fair’s theme and spirit, but also because of its powerful use of color and its great carrying power, considered purely from the standpoint of abstract design.”
Ein Durchbruch war damit geschafft, und die Auftraggeber im Bereich der Wirtschaft, verschiedener Organisationen und – was wahrscheinlich noch wichtiger war – die in den USA schon weit entwickelten Werbeagenturen begannen sich verstärkt für Joseph Binder zu interessieren. So konnte er in seinen amerikanischen Jahrzehnten ein großes – in Österreich bis heute noch unterschätztes – Oeuvre schaffen, das von Großplakaten und Inseraten bis zu besonders innovativen Zeitschriftencovers reichte.
Einer seiner wichtigsten Auftraggeber war dabei die US Navy, die ihn 1948 als Art Director engagierte und für die er bis 1963 tätig blieb. Es ist erstaunlich, wie modern diese Arbeiten für die Marine auch heute noch wirken, doch – so erinnerte sich Joseph Binder – genau das war der attraktive Auftrag durch die Militärs: Binders zeitgemäße Formensprache sollte die moderne Technologie der US Navy widerspiegeln.
1963 beendete Binder seine Karriere als Grafikdesigner und widmete sich von nun an der sogenannten Freien Kunst, wobei er es auch hier zu einer beachtlichen Qualität und entsprechender Anerkennung brachte. Im Jahr 1972 verstarb Joseph Binder in Wien, wo er gerade mit dem Ausstellungsaufbau seiner Bilder im Museum für angewandte Kunst beschäftigt war.
Die zwei von Anita Kern präzise verfassten Bände stellen die Entwicklung von Joseph Binder zu einem der wichtigsten Grafikdesigner des 20. Jahrhunderts in ansprechender Weise dar und sind damit eine wesentliche Bereicherung der Geschichte des österreichischen Designs.
Kern, Anita: Joseph Binder. Art Director in the USA, Wien 2016 (=/design/er/leben/, Band 8.2).