Leopold Forstner zählt wohl zu den konsequentesten Vertretern des secessionistischen Grundgedankens, nämlich der Idee, dass alle gestalteten menschlichen Bereiche von Kunst durchdrungen sein sollten. Folgerichtig befand der Kritiker Franz Servaes im Jahr 1910 in der Zeitschrift „Kunst und Künstler“ über Forstner: „Gänzlich dem höheren Kunstgewerbe hat sich die erfreuliche Begabung Leopold Forstners verpflichtet. Er ist Vorsteher der neugegründeten Wiener Mosaikwerkstätte, in der er die Wagnerschen Prinzipien der Flächendekoration mit einer von Klimt und Kolo Moser geweckten Bildsamkeit und einer ganz persönlichen auf feinstem Material basierten technischen Erfindungsgabe verbindet. Auf seinem Gebiet wirkt er, vielleicht mehr noch als Roller, im Theaterwesen, bahnbrechend.“
Leopold Forstner wurde am 2. November 1878 in Leonfelden (seit 1961 Bad Leonfelden) in Oberösterreich geboren. Nach dem Besuch der Staatshandwerkschule in Linz setzte er seine Ausbildung von 1899 bis 1902 an der Kunstgewerbeschule in Wien unter anderem bei Kolo Moser fort und ging anschließend an die renommierte Münchner Akademie. 1908 gründete er die „Wiener Mosaikwerkstätte“, mit der er unter anderem an der Kirche am Steinhof in Wien und am Palais Stoclet in Brüssel mitarbeitete – um nur zwei der prominentesten Projekte zu nennen, an denen Forstner künstlerisch beteiligt war.
Aber auch im Bereich der angewandten Grafik hat der vielseitige Künstler Beachtliches geschaffen. So gestaltete er Bücher, arbeitete an der Zeitschrift der Secessionisten, „Ver sacrum“, mit und schuf auch das Titelblatt des legendären Vorlagenwerkes „Die Fläche“. Darüber hinaus entwarf er immer wieder Plakate und Werbegrafiken. Während des Ersten Weltkriegs, von 1916 bis 1918, leistete Forstner seinen Kriegsdienst als sogenannter „Sammeloffizier“. Als solcher hatte der den Auftrag, auf dem Balkan Gegenstände für die Sammlungen des Museums für Volkskunde und des Heeresmuseums in Wien zusammenzutragen.
Nach dem Krieg gründete Leopold Forstner in Stockerau eine Werkstatt für Edel- und Hohlgläser. 1926 entwarf und fertigte er fünf Altäre für das Franziskaner Kloster in Callicoon (New York). Doch im Zuge der Weltwirtschaftskrise wurde es immer schwieriger die Werkstatt wirtschaftlich zu führen, und daher nahm Forstner 1929 eine Stelle als Kunsterzieher am Bundesgymnasium Hollabrunn (Niederösterreich) an. Am 5. November 1936 verstarb er – erst 58jährig – in Stockerau.
Ein umfangreicher Nachlass von Leopold Forstner hat sich glücklicherweise im Familienbesitz erhalten. Die Kunsthistorikerin Martina Bauer hat nun nicht nur den Nachlass aufgearbeitet, sondern in dem Zusammenhang auch die erste umfangreiche Publikation über diesen wieder zu entdeckenden Künstler verfasst. In vorbildlicher Weise beleuchtet dabei die Autorin das Leben, aber vor allem auch das vielseitige Werk Forstners. In dem Band findet sich viel Interessantes zur Kunst von Forstner, aber auch aufschlussreiche produktionstechnische und sozialgeschichtliche Details aus dessen Betrieben sind darin enthalten.
Die glückliche Verbindung von ästhetischer Imaginationskraft mit handwerklicher Perfektion macht wohl eine der Besonderheiten von Leopold Forstners Schaffen aus. Im Resümee ihrer Monografie beschreibt Martina Bauer noch einmal diese Fähigkeit mit den Worten: „Mit viel Geschick verhalf er dem künstlerischen Entwurf auf Papier in einem nächsten Schritt zu einem Kunstwerk im Material. Dafür ging er ans Äußerste, experimentierte mit Materialien und Pigmenten und ging unkonventionelle Wege, um für die Auftraggeber und sich selbst das Maximum herauszuholen. Das Finanzielle war dabei nicht immer an erster Stelle, das künstlerische Ergebnis zählte vorrangig.“
Bauer, Martina: Leopold Forstner (1878–1936). Ein Materialkünstler im Umkreis der Wiener Secession, Wien 2016.