Am Anfang der Städtewerbung standen vor allem Plakate für Eisenbahn- und Schifffahrtslinien. Diese Affichen entwickelten sich ursprünglich aus den Fahrplänen und wurden im Laufe der Zeit immer mehr illustriert. Detaillierte Stadtansichten waren dabei ein wichtiger Bestandteil der Gestaltung. Die Kleinteiligkeit der Plakate erklärt sich auch daraus, dass sie nicht für den Straßenanschlag, sondern vornehmlich für Innenräume, wie etwa Bahnhöfe, Hotels oder Reisebüros, gedacht waren.
Ein wesentlicher Auftraggeber früher Tourismuswerbung war die „Internationale Schlagwagengesellschaft“ („Wagon-Lits“). Sie beschäftigte vor allem den spanischen-französischen Künstler Rafael de Ochoa y Madrazo, dessen Arbeiten für alle Bahnplakate vorbildlich werden sollten. Der zweite stilbildende Entwerfer, der aus Rumänien stammende und in Frankreich tätige Hugo d’Alesi, arbeitete ebenfalls für „Wagon-Lits“ und für eine Reihe weiterer französischer Gesellschaften.
Zu einer Zeit, in der vor allem französische Künstler das Medium Plakat mit ihren Bildgestaltungen revolutionierten, blieben die Bahn-Affichen noch lange stilistisch erstaunlich konservativ. Auch in der Schweiz, in der später Ikonen moderner Tourismuswerbung entstanden, setzte man zunächst auf konservativ gestaltete Plakate. Einer der wesentlichen Protagonisten dieser frühen Schweizer Szene war der österreichische Grafiker Anton Reckziegel.
Erstaunlich innovativ war in diesem internationalen Kontext zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Werbung der k.k. österreichischen Staatsbahnen. Ab 1907 brachten die Staatsbahnen eine Serie von Künstlerplakaten heraus, in denen versucht wurde, traditionelle Schaugewohnheiten mit modernen Stilelementen zu verbinden. Maßgebend waren dabei die zwei befreundeten Künstler Gustav Jahn und Otto Barth.
Die ersten Städte, die auf Tourismuswerbung setzten, waren neu entstandene Seebäder und Kurstädte, in denen zu Ende des 19. Jahrhunderts zum Teil hohe Investitionen getätigt wurden. Im intensiver werdenden Konkurrenzkampf wurde da die Plakatwerbung immer wichtiger. Darüber hinaus begannen Städte mit verschiedensten Veranstaltungen um Besucherinnen und Besucher zu werben. So entstanden künstlerisch anspruchsvoll gestaltete Plakate für Warenmessen, Feiern, Sportveranstaltungen, Kulturfestivals, Ausstellungen und Stadtjubiläen.
Die 1911 in Berlin durchgeführte „Internationalen Ausstellung für Reise- und Fremdenverkehr“, die als die erste Touristikmesse der Welt gilt, zeigte nicht nur, dass bereits der Markt für ein derartiges Unternehmen vorhanden war, sondern zog auch selbst große Besucherströme in die deutsche Hauptstadt. Das für die Ausstellung gestaltete Plakat von Hans Rudi Erdt wurde zu einem oft publizierten Bildsymbol früher Tourismusentwicklung.
Nach dem Ersten Weltkrieg dauerte es eine Zeitlang, bis sich die Verhältnisse soweit konsolidiert hatten, dass eine intensivere, auf einen breiteren Kundenkreis ausgerichtete Tourismuswerbung Sinn machte. In den 1920er Jahren bot Berlin mit der Kreation des Stadtslogans „Jeder einmal in Berlin!“ ein Vorbild in avanciertem Stadtmarketing. Andere deutsche Städte folgten: „Frühling in Wiesbaden“ war das Thema einer jahrelangen Plakatkampagne, für die Ludwig Hohlwein zwei bekannte Sujets beisteuerte. Stuttgart trat mit dem Motto „Deutschlands schönste Stadt“ auf, und Hannover kreierte bereits in den frühen 1920ern den bis heute verwendeten Slogan „Großstadt im Grünen“.
Bahnlinien spielten auch in der Zwischenkriegszeit nach wie vor eine bedeutende Rolle in der Bewerbung von Städtereisen. Für eine Serie attraktiver Stadtansichten aus Zentraleuropa sorgte die „London and North Eastern Railway“, für die eine Reihe renommierter Grafiker tätig war. Die Gesellschaft gab es in dieser Form ab dem Jahr 1923, und sie bewarb in den 1920er und 1930er Jahren besonders jene Verkehrsverbindung, die über ihre Fähren von Harwich aus nach Festland-Europa führte.
So wie nach dem Ersten Weltkrieg sollte es auch nach 1945 einige Zeit dauern, bis die Menschen wieder reisen konnten. In der dann wieder langsam entstehenden Werbung der Nachkriegsjahre sind als eine Art Kontrapunkt zur vielfach herrschenden Tristesse des täglichen Lebens oft Bilder einer naiven Heiterkeit zu beobachten.
Mit dem in den 1950er Jahren in Europa einsetzenden Reise-Boom bemühten sich auch immer mehr kommunale Tourismusagenturen um den wachsenden Markt. Die Rolle, die den Eisenbahnlinien im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Bewerberinnen von Städtereisen zukam, übernahmen nun zunehmend die Fluggesellschaften. Und wie bei der frühen Eisenbahnwerbung spielte auch diesmal Frankreich eine beispielgebende Rolle. 1956 startete die Air France eine Plakat-Kampagne, die bald auch für andere Fluglinien stilprägend wurde.
Diese Affichen sind nicht nur gelungene zeittypische Beispiele französischen Grafikdesigns, sondern dokumentieren auch, wie stark es bei der Bewerbung von Städten zu einer Ikonisierung einiger weniger Sehenswürdigkeiten kam. Diese Fokussierung auf eine Art „Starprinzip“ für zu besuchende Orte ist wohl mit ein Grund für die Probleme im zeitgenössischen Tourismus, mit Besucherströmen, die sich alle auf wenige Punkte in den Städten richten.
Je populärer das Reisen wurde, desto unbedeutender wurde das Tourismusplakat. Andere Medien minderten generell die Bedeutung des Plakates als Werbemittel. In den 1950er Jahren übernahmen das Fernsehen und gegen Ende des 20. Jahrhunderts das Internet die wesentlichen Rollen in der Meinungsbildung der Menschen.
Abstract des Vortrags „Das Reiseziel auf der Litfaßsäule. Plakate als Werbeträger“, gehalten im Rahmen der von 27.–29. September 2017 im Rathaus der Stadt Kitzbühel vom „Österreichischen Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung“ veranstalteten Tagung „Fernweh und Stadt. Tourismus als städtisches Phänomen“. Die Tagungsbeiträge erschienen in dem Band:
Opll, Ferdinand – Martin Scheutz (Hrsg.): Fernweh und Stadt. Tourismus als städtisches Phänomen, Innsbruck 2018.