Man sollte eine Ausstellung machen: Alte Plakate. Und darin müßten alle die bunten Fetzen Papier aus der Kriegszeit ausgestellt sein, mit den vollen Namen ihrer Anfertiger und Besteller.
Die Plakate der neun Kriegsanleihen, die da Unmögliches versprachen, und die logen, logen, logen. „Die Kriegsanleihen sind sicher!“ – „Die Kriegsanleihen sind bar Geld!“ – „Durch Sieg zum Frieden!“ – „Noch eine letzte Anstrengung!“ Und dann immer dringlicher, immer hilferufender, immer großmäuliger!
Die Plakate, die da bewiesen, dass wir Belgien haben müßten, müßten, wollten wir nicht verhungern, verdursten, sterben und elend untergehn. Die Plakate, so die Verluste der feindlichen Handelsflotten – jetzt müssen wir sie bezahlen – mit schönen kleinen und großen Schiffen ausmalten und ankreideten.
Die Plakate – aber nun kommen wir in die neue Zeit, und was gestern noch ein Plakat, ist heute ein schlechter Witz: die Plakate zur Werbung für die Freiwilligenverbände, die morgen alle aufgelöst werden müssen. Die Plakate gegen einen Bolschewismus, von dem die Besteller einmal etwas hatten läuten hören, und unter dem sie sich so eine Art tatkräftigen Sozialismus vorstellten – Gott sollte sie bewahren, alle miteinander! Die Plakate, die da bewiesen – das dürfte vier Monate her sein –, dass dieser Friede niemals unterzeichnet werden könnte, dürfte, solle! O schöne Zeit –!
O schöne Zeit! Man pappte seins an die Mauern und ging befriedigt nach Hause. Das Papier! Das Geld! Die Arbeit! Der Leim! Aber der war noch das Realste bei der ganzen Geschichte.
Veröffentlicht unter dem Pseudonym Ignaz Wrobel, in: Die Weltbühne, 18.09.1919, Nr. 39, S. 366.