Die mittlere Entfernung von der Erde zur Sonne beträgt 149,6 Millionen Kilometer – eine Distanz, die sich wohl kaum jemand wirklich vorstellen kann. Helfen kann ein Vergleich: Wenn man annimmt, dass die Sonne so groß wäre wie eine Grapefruit, dann wäre die Erde so groß wie ein Sandkorn – und der Abstand zwischen den beiden entspräche mit rund zwölf Metern der Länge eines Londoner Doppeldeckerbusses.
Derart anschauliche Vergleiche sind in dem vor kurzem erschienenen Buch „Das Maß aller Dinge“ zu finden. Zusammengestellt wurde der Band – der im Original unter dem Titel „The Scale of Things“ bei Quadrille Publishing, London, herauskam – von Mike Fairbrass und David Tanguy. Fairbrass ist als Autor und Kreativberater vor allem im Design- und Architekturbereich tätig und war früher Leiter der Abteilung Modellbau in einem Architekturbüro. David Tanguy ist Grafikdesigner und Kreativdirektor des im Jahr 2000 von ihm gegründeten Londoner Designstudios „Praline“. Was die beiden miteinander verbindet, ist, wie sie im Vorwort zu ihrem Buch schreiben, „eine gemeinsame Faszination für den Maßstab“ und die Freude daran, erstaunliche Fakten in „ungewöhnliche Größenzusammenhänge“ zu bringen und „grafisch vereinfacht“ darzustellen.
Mike Fairbrass und David Tanguy haben insgesamt sechzig Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen ausgewählt, um über die Hilfsmittel der Skalierung und der Verbildlichung „das Unvorstellbare vorstellbar machen und so unsere Welt und das Universum weiter verstehen und schätzen“ zu lernen. Auf jeweils einer Doppelseite des Buches findet sich dabei stets ein prägnantes – oft erstaunliches, manchmal unvorstellbares – Faktum und dazu die entsprechende bildliche Umsetzung.
Viel Interessantes ist dabei zu erfahren – so etwa im Kapitel „Biologie“: „Die Gesamtlänge aller Nervenfasern im Gehirn eines Erwachsenen entspricht etwa der Distanz zwischen Erde und Mond“. Durchaus Kritisches findet sich im Kapitel „Macht“: „Acht Milliardäre besitzen mehr als die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Sie haben in einer einzigen Limousine Platz. Der Rest der Menschheit bräuchte für eine gemeinsame Spritztour 100 Millionen Doppeldeckerbusse.“ Beeindruckend sind auch die Vergleiche im Kapitel „Technik“, wie etwa: „Würde man alle Fotos, die an einem Tag bei Instagram gepostet werden, ausdrucken und aufstapeln, dann wäre dieser Berg größer als der Mount Everest“. Oder: „Jede Zehntelsekunde fertigen wir 10 Mal mehr Mikrochip-Transistoren, als es Sterne in unserer Galaxie gibt.“
Der Band „Das Maß aller Dinge“ ist eine originelle Sammlung diversester und oft kurioser Fakten – oder, wie es im Untertitel des englischen Originals heißt: „Mind-Blowing Proportions – Remarkable Ratios – Extraordinary Facts“. Der deutsche Untertitel lautet, weniger reißerisch, „Oder wie man die Welt vergleichsweise einfach betrachtet“. „Betrachten“ ist dabei ein passendes Stichwort, denn „Das Maß aller Dinge“ ist vor allem auch ein faszinierendes Bilderbuch für Erwachsene. David Tanguy, der gemeinsam mit seinem Studio „Praline“ für die grafische Gestaltung verantwortlich zeichnet, hat mit seinen jeweils auf wenige Bildelemente und Farben reduzierten Illustrationen echte „Eyecatcher“ geschaffen. Kontraste und eine bunte Gesamtwirkung entstehen dann dadurch, dass die Formen und Farben von Doppelseite zu Doppelseite wechseln.
Es verwundert dabei nicht, dass David Tanguy, der als Buch- und Ausstellungsdesigner unter anderem für die Londoner Tate Gallery, die Royal Academy of Arts und das Victoria & Albert Museum tätig ist, auch in den Bereichen Branding und Plakatgestaltung erfolgreich ist. So etwa hat er vor kurzem ein vielbeachtetes neues grafisches Gesamtkonzept für das Liverpooler Kunst- und Kreativzentrum FACT geschaffen.
Fairbrass, Mike – David Tanguy: Das Maß aller Dinge. Oder wie man die Welt vergleichsweise einfach betrachtet. Dumont Buchverlag, Köln 2018.