Mit der Ausstellung „Brandspuren. Filmplakate aus dem Salzstock“ (bis 1. März 1921) in der Deutschen Kinemathek in Berlin findet ein Projekt mit langer Laufzeit seinen krönenden Abschluss. Filmplakate stehen im Zentrum des Interesses. Mindestens gleichgewichtig wird den titelgebenden Umständen Aufmerksamkeit geschenkt. Denn es grenzt an ein Wunder, dass es heute möglich ist, diesen verloren geglaubten Schatz in Augenschein zu nehmen. Einem Krimi gleich liest sich die Geschichte des Brandes, der Wiederentdeckung und der Bergung von Filmplakaten, die als unikale Bestände anzusehen sind. Doch der Reihe nach.
Vor über 75 Jahren, im Jahr 1943, war aufgrund der Kriegshandlungen die Dringlichkeit der Bergung von Kulturgut nicht mehr zu leugnen gewesen. Die Luftangriffe der Alliierten auf Berlin hatten weiter zugenommen und sichere Verwahrungsorte mussten gefunden werden. Salzbergwerke galten als gute Bergungsstätten für Schriftgut und Papier. Grasleben, das im Dreieck zwischen Magdeburg, Braunschweig und Wolfsburg liegt, war auch aufgrund der leicht bewältigbaren Entfernung von etwa 200 Kilometern zu Berlin gut gelegen. Daher begann auch das Reichsfilmarchiv, die Salzstollen des Bergwerks Grasleben als Bergungsort zu nutzen. Ab Sommer 1944 kamen weitere Dokumente in großen Mengen aus einem Zwischenlager im heutigen Polen nach Grasleben, darunter Unterlagen der Filmprüfstelle.
In der Zeit der Schlacht um Berlin, der letzten großen Schlacht des Zweiten Weltkriegs in Europa von Mitte April bis Anfang Mai 1945, kamen US-Truppen nach Grasleben und transportierten einen Teil des Reichsfilmarchivs ab. Weder Umfang noch Inhalt des Abtransports sind genau belegt, da sich die Einlieferungslisten nicht erhalten haben. Im Juni 1945 zerstört ein vermutlich aus Unachtsamkeit entstandener Grubenbrand umfangreiche Bestände der geborgenen Kulturgüter. Darunter befinden sich auch Filmplakate des Reichsfilmarchivs. Ein Teil der Kunstwerke wurde geborgen, der Rest, darunter alle Filmplakate, gilt als verloren.
Ein Zeitsprung ins Jahr 1986 und der Schauplatz ist wieder der Salzstock in Grasleben. Werner Sudendorf, damaliger Leiter der Sammlungen der Deutschen Kinemathek, und Jochen Hergersberg wollen unter Tage selbst das Ausmaß der Zerstörung in Augenschein nehmen. Sie haben erstmals die Möglichkeit den Umfang und Zustand der verbliebenen Materialien des Reichsfilmarchivs zu sichten. Ohne große Hoffnung fahren sie unter Tage. Vor Ort angekommen die aufregende und erfreuliche Entdeckung, dass nicht alles restlos zerstört wurde! Die Plakate sind stark in Mitleidenschaft gezogen, zeigen Brandspuren, wie verkohlte Ecken und Kanten, doch die Motive sind noch zu erkennen. Unter Berücksichtigung der Umstände ist die Freude groß, denn es können etwa 70 Filmplakaten geborgen werden.
Über 30 Jahre sollten vergehen, bis die Ergebnisse jahrzehntelanger Bemühungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und die großteils restaurierten Plakate das erste Mal gezeigt werden können. Der erste Raum beleuchtet mit Originalfundstücken und Aktennotizen die Geschichte, quasi das Making-of.
Es folgt im zweiten Raum eine gemeinsame Fahrt ins Bergwerk via Film. Ein Team der Deutschen Kinemathek war 2017 erneut vor Ort im Salzstock, und die Kamera nimmt uns mit auf ihre Reise im Jeep unter Tage bis zur Kammer, in der die Kulturgüter geborgen waren und die Wände noch heute schwarz vor Ruß sind.
Schließlich im dritten Raum angelangt, steht der Ausstellungsbesucher vor den Plakaten, die sofort in ihren Bann ziehen. Zum einen, weil schnell klar wird, dass hier wahre Wunder vollbracht wurden. Aus unzähligen Teilen und Teilchen mussten, einem Puzzlespiel gleich, Anett Sawall, die Leiterin der Grafiksammlung, und die Restauratorin suchen, zusammenfinden und -setzen, was zusammen gehört. Die Verwahrung über Jahrzehnte im salzhaltigen Klima hatte dem Papier sämtliche Feuchtigkeit entzogen und ihr Übriges dazu beigetragen, das Papier spröde und brüchig zu machen. Die Plakate wurden daher auf Trägermaterial aufgebracht. An den deutlich sichtbaren Brandspuren lässt sich überdies gut erkennen, bis zu welchem Punkt Sauerstoff (und damit das Feuer) in die zusammengefalteten Plakate vordringen konnte. Zum anderen bannen die Plakate, weil sie nach ihrer Restaurierung nun wieder Zeugnisse der deutschen Filmgeschichte sind, mit Filmtiteln wie „Das gestohlene Schwein“, „Streik der Diebe“ oder „Was wissen denn Männer“. Viele der Plakate haben sich in keiner anderen Sammlung erhalten und gewinnen dadurch zusätzlich an kultur- und filmhistorischer Bedeutung.
Sammlung Digital: Brandspuren – Filmplakate aus dem Salzstock