„Volker Pfüller zeichnet ununterbrochen. Es entstehen Entwürfe für Bühne und Kostüme, Illustrationen und Plakate, Probenskizzen, die in ausgearbeitete eigenständige Zeichnungen münden, Naturstudien und Notate zu gesehenen Schriftzügen, Strukturen und Ornamenten, die als Teil der Recherche Grundstock seines sich stets erweiternden unermesslichen Form- und Farbvokabulars werden.“ Treffend beschreibt Christoph Ruckhäberle so die Arbeitsweise des Malers, Grafikers, Bühnen- und Kostümbildners Volker Pfüller. Dem unermüdlichen Universalkünstler haben neben Ruckhäberle, der sich mit dem Thema „Malerei“ beschäftigt, die Autoren René Grohnert, Friedrich Dieckmann, Thomas Glöß und vor allem Stephan Dörschel als Herausgeber eine repräsentative Publikation gewidmet. „Volker Pfüller Bilderlust“ heißt der Band passender Weise, weil es darin sowohl um die Freude des Künstlers an seinem visuellen Schaffen als auch um die Lust der Betrachterinnen und Betrachter an diesem opulenten Werk geht.
Volker Pfüller wurde 1939 in Leipzig geboren, er studierte an der Fachhochschule für Angewandte Kunst in Berlin-Oberschöneweide und an der Hochschule für Bildende und Angewandte Kunst in Berlin-Weißensee, er arbeitete auf verschiedenen Gebieten der Grafik, bis er Ende der 1960er Jahre auch als Bühnenbildner begann. Neben vielen anderen Bühnen war er vor allem an der Volksbühne und dem Deutschen Theater in Berlin wie auch an den Münchner Kammerspielen erfolgreich tätig. Ab 1990 lehrte Pfüller das Fach Bühnenbild an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und von 1997 bis 2005 wirkte er als Professor für Illustration an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig.
Auf über 200 Seiten und mit unzähligen Illustrationen werden verschiedene Aspekte des Werkes von Volker Pfüller in der vor kurzem erschienenen Publikation beleuchtet: Es beginnt mit dem Beitrag von René Grohnert, der auf das bemerkenswerte Plakatschaffen des Grafikers eingeht: „Volker Pfüller hinterlässt mit jeder Arbeit eine Marke – nur ein Plakat von ihm kann so aussehen. Kaum ein anderer Gestalter hält derart streng an der eigenen Bildsprache fest und bewegt sich doch flexibel innerhalb der selbst definierten Grenzen.“ In seiner Unverkennbarkeit ist es Pfüller gelungen, in einer Zeit, in der die allgemeine gestalterische Qualität des Mediums eher nach unten ging, herausragende Plakate zu schaffen. Von den späten 1960er Jahren bis heute gelang ihm eine Fülle von herausragenden Affichen, die man mittlerweile auch im musealen Kontext wiederfindet. Ein Theater-Plakat ist bei ihm nicht bloß ein Element der Werbung, sondern eine wichtige Außen-Komponente einer – meist von ihm betreuten – Bühnenausstattung.
Der umfangreichen Theaterarbeit von Volker Pfüller ist der Artikel von Friedrich Dieckmann gewidmet, der damit an die legendärsten Inszenierungen erinnert, an denen Pfüller mitwirkte. Besonders erfolgreich war die Zusammenarbeit des Bühnenbildners mit dem Regisseur Alexander Lang: Büchners „Dantons Tod“ (1981), Brechts „Die Rundköpfe und die Spitzköpfe“ (1983), Goethes „Iphigenie auf Tauris“ (1984), Schillers „Don Karlos“ (1985), „Medea“ von Euripides (1986) oder Strindbergs „Totentanz“ (1986) waren einige der gemeinsamen Erfolgsproduktionen. Später folgten auch Opernausstattungen mit so prominenten Regisseuren wie Thomas Langhoff oder Dieter Dorn. Im Gespräch mit Herausgeber Stephan Dörschel bedauert Pfüller, dass er relativ wenig für die Oper gearbeitet habe: „Ich habe immer nur die schöne Arbeit am Schauspiel gesehen, dass man bei den Proben dabei ist, dass man da von Anfang an entwickelt, entwickelt, entwickelt und dass man nicht ein halbes Jahr vorher die Entwürfe abgeben muss. Die Arbeit mit den Sängern ist ja einfach gegenüber der mit Schauspielern. Deren Herz kann man leicht gewinnen. Wenn die gemerkt haben, dass man für sie einen tollen Anzug oder eine tolle Perücke macht, dann haben die einen schon geküsst.“ Durch das lesenswerte Interview, in dem man nicht nur viel über Volker Pfüller, sondern auch über das Theater allgemein erfährt, zieht sich jener für diesen Künstler so bezeichnende Humor, der auch dessen bildnerische Arbeit prägt – ein Humor, der von salopp bis grimmig reichen kann, aber immer eine für Pfüller typische Komponente des Grotesken enthält. So antwortet Pfüller in dem Gespräch auf die Frage, ob er auch Film gemacht habe: „Nein. Das habe ich auch verpasst, wie vieles andere im Leben. Das trifft mich gar nicht so: also dieser Reiz – eine Produktion, drei Millionen für Kostüme, wo Bühnenbildner am Speichelfluss ersticken würden.“
Thomas Glöß erinnert in seinem Beitrag über die Buchkunst von Volker Pfüller an die Vielseitigkeit des belesenen Künstlers, denn im Hinblick auf dessen Theaterarbeit, so der Autor, würden etwa seine Leistungen im Gestalten von Büchern doch im Hintergrund stehen: „Das Buch in seiner Gesamtheit hat Volker Pfüller seine gesamten Arbeitsjahre begleitet, seit 1967 beim Kinderbuchverlag Berlin das erste von ihm illustrierte Buch erschien.“ Es sollten noch viele folgen: „Gibt es Schöneres für einen Büchernarren“, so wird Pfüller in dem Beitrag zitiert, „als ein Buch zu machen oder doch wenigstens mit Hand anzulegen, wenn ein Buch entsteht? Was gibt es Schöneres für einen leidenschaftlichen Leser und leidenschaftlichen Zeichner, als beides, Lesen und Zeichnen, zu verbinden, sich damit zu ernähren und sogar noch einiges Lob zu ernten!“
Eine ausführliche Bibliografie sowie ein Werkverzeichnis aller von Pfüller gestalteten Bühnenbilder komplettieren das sorgfältig edierte und ansprechend von Jochen Mahlke gestaltete Buch. Bei all der Bilderlust, bei aller Freude über die Kunst von Volker Pfüller hinterlässt das Buch jedoch auch eine gewisse Bitterkeit: Beim Betrachten der Szenenbilder und Kostüme schmerzt es, dass man all diese Theaterinszenierungen nicht im Original sehen konnte…
Dörschel, Stephan (Hrsg.): Volker Pfüller Bilderlust, Berlin 2019.