Wenn man sich anschaut, wie man sich mit Plakaten beschäftigen kann – und auch beschäftigt hat – so ist die Palette recht groß: Es gibt monografische und thematische Arbeiten mit verschiedenen Blickwickeln.[1] Verwoben sind u.a. Aspekte der Kunst- Kultur-, Alltags,- Werbe- und Designgeschichte. Die Plakatgeschichte wird stilistisch oder anhand von Neuerungen erzählt, es werden einzelne Länder, Gestalter oder Themen hervorgehoben, an denen zu Zeiten innovative Entwicklungen besonders deutlich ablesbar sind. Was man nur hier und da und auch nur am Rande erwähnt findet, das ist der Beitrag der Drucker und der Drucktechniken auf das Aussehen und die Entwicklung der Plakate. Doch hier liegt die Basis dessen, was Gestalter überhaupt auf das Papier bringen können, hier liegen ihre Grenzen und Möglichkeiten, und diese veränderten sich ständig. Auch hat sich die Kooperation zwischen Gestalter und Drucker sehr verschieden gezeigt, sie war enger und lockerer im Laufe der Zeit, wobei es keine einheitliche Entwicklung war, sondern ein ständiges Hin und Her.
Der folgende Beitrag wird an einigen Schwerpunkten dieses Verhältnis erläutern und interpretieren. Die Struktur ist generell chronologisch und widmet sich hierin beispielhaft jeweils speziellen Drucktechniken. Es geht in erster Linie nicht um die Technik als solche, sondern vor allem darum, was eine neue Drucktechnik den Gestaltern jeweils Neues ermöglichte, etwa im Umgang mit Typografie und Fotografie. Erwähnt werden stellvertretend auch einige Drucker, die in diesem Zusammenhang jeweils eine wichtige Rolle spielten.
Buchdruck
Übergreifend steht hier der Begriff Hochdruck. Die Farbe wird dabei von den erhabenen (den hochstehenden) Teilen eines Druckstocks auf das Papier übertragen. Diese Technik ist wohl die älteste Form des Vervielfältigens überhaupt. Zunächst als geschlossener Block genutzt, d.h., alle zu druckenden Elemente wurde aus einem (Holz-) Block geschnitzt. Diese Technik war in Asien, Vorderasien und später auch im Römischen Reich bekannt. Mit der Weiterentwicklung der Technik durch Johannes Gutenberg (~1400–1468) zum Druck mit beweglichen Lettern erschlossen sich neue Möglichkeiten. (Abb. 1) Jetzt konnten Massenauflagen hergestellt werden und die Verbreitung von Wissen durch das Buch startete ihren Siegeszug. Für Flugblätter, Flugschriften und Anschläge – für diese Vorläufer des Plakats galt Ähnliches. Man konnte nun Ankündigungen in größerer Zahl herstellen, und man konnte Informationen ganz unabhängig von der gemeinsamen Anwesenheit eines Verkünders und eines Publikums verbreiten. Allerdings gab es noch keine professionellen Gestalter, es waren die Drucker selbst, die im Wesentlichen für das Aussehen sorgten. Es hing von ihrem Geschick und der Ausstattung ihrer Druckerei ab, wie die Druckprodukte aussahen. Überwiegend wurden reine Texte gedruckt, gelegentlich ergänzt durch Zierrat, etwa durch Linien und kleinere Bildmarken wie Blattwerk oder Ranken. (Abb. 2; Abb. 3)
Seltener sind mit- oder separat gedruckte Bilder zu finden, da diese als „Model“ hergestellt werden mussten, hier bedurfte es anderer Fähigkeiten und höherer finanzieller Aufwendungen. Noch teurer wurde es, wenn Farbe ins Spiel kommen sollte. Da half zunächst nur die Handkolorierung. Diese wurde nur für relativ kleine Auflagen genutzt und für wichtige Darstellungen (etwa im religiösen Umfeld) oder für hochwertige Produkte. (Abb. 4; Abb. 5) Auch wenn der Buchdruck seine Monopolstellung ab Mitte des 18. Jahrhunderts Stück für Stück eingebüßt hat (außer bei der Buchproduktion selbst), so finden wir ihn in speziellen Anwendungen nach wie vor. Etwa beim Linoldruck – sehr beliebt für spontane, preiswerte und schnelle Herstellung etwa von politischen Plakaten.Für die Herstellung von Bleischriften haben sich verstärkt im 19. Jahrhundert spezielle Firmen herausgebildet, die Schriftgießereien.[2] Sie stellten die Schriften maschinell her. Für die verschiedenen Fonts beauftragten sie zum Teil namhafte Gestalter. So z.B. die Berliner Berthold AG, die Bauersche Gießerei, Flinsch, die Stempel AG aus Frankfurt a.M. und die Gebr. Klingspor aus Offenbach.[3] Viele dieser Schriften haben es bis in die digitale Zeit geschafft und sind als digitale Fonts erhältlich, so etwa Schriften von Otto Eckmann (1865–1902), Lucian Bernhard (1883–1972) und Louis Oppenheim (1879–1936), um nur einige Beispiele zu nennen. Auch die Möglichkeit Bilder zu drucken hat sich weiterentwickelt. Die Vorlagen wurden auf fotochemischem Wege auf Zinkplatten belichtet und geätzt. Diese Klischees wurden zusammen mit den Textblöcken in eine Form gespannt und gedruckt. Mit der Großproduktion der Schriften wuchs auch die Auswahl an solchen, und Gestalter konnten nunmehr auf ein großes Spektrum zurückgreifen, durchaus vergleichbar mit den Schriftbibliotheken auf unseren Rechnern. Es blieb im Wesentlichen aber bei der Einfarbigkeit, wenn man von den japanischen Farbholzschnitten einmal absieht.
Lithografie
Als Flachdruckverfahren wurde die Lithografie im 19. Jahrhundert zur einzigen Drucktechnik für farbige Druckerzeugnisse. Die Technik beruht auf einer Entwicklung von Alois Senefelder (1771–1834), der das Verfahren als Steindruck bezeichnete. Dabei wird auf den Druckstock aus Stein – in Deutschland zumeist ein Plattenkalk aus dem bayrischen Solnhofen – mittels fetthaltiger Farben, Tuschen oder Kreiden eine Zeichnung aufgetragen, auch eine fotografische Belichtung ist möglich. Der Stein wird anschließend gewässert und mit Druckfarbe eingerieben. Nur die fetthaltigen Bereiche nehmen jedoch die Druckfarbe auf, die feuchten Partien des Steins stoßen die Farbe ab. Ein auf den Stein aufgelegtes Blatt übernimmt die Farbe unter großem Druck. Es können Hand- oder Schnellpressen eingesetzt werden.[4] (Abb. 6)
Für jede Farbe muss ein eigener Stein hergestellt werden. Zunächst wurden viele Steine (gelegentlich bis zu 25!) benötigt, um ein bestimmtes Farbspektrum abzubilden. Das Verfahren wurde von Jules Chéret (1836–1932) vereinfacht und zur Plakatreife weiterentwickelt. Er benötigte nur fünf Steine, die er auf verschiedene Weise einsetzte (Reine Farben, Hintergründe …). Über dieses Verfahren konnte er nicht nur sehr preisgünstig produzieren, sondern es bedurfte auch einer neuen Art des Zeichnens, die die Vorzüge des Druckverfahrens voll ausnutzten. Chéret selbst war nicht nur Drucker, sondern auch Zeichner und damit der erste Meister des modernen Plakats. Mit seinem Verfahren lassen sich die meisten Farben innerhalb eines bestimmten Farbspektrums mischen. In der Regel geschieht dies – ähnlich wie bei den Malern des Pointilismus – im Auge des Betrachters. (Abb. 7; Abb. 8)
Mit seinen Plakaten animierte er u.a. Künstler wie Henri de Toulouse-Lautrec (1864–1901) und Théophile Alexandre Steinlen (1859–1923) ebenfalls Plakate zu fertigen und diese auch als Farblithografien nach seinem Verfahren herzustellen. Das Vorbild Chérets führte unter anderem auch dazu, dass die Künstler oftmals selbst auf den Stein zeichneten. Unterstützung fanden sie in spezialisierten Druckereien, wie z.B. in der von Chéret 1866 gegründeten und von ihm bis 1881 geführten Imprimerie Chaix. Seine Pioniertat auf dem Gebiet des modernen Plakats und bei der Entwicklung geeigneter Druckverfahren findet nicht immer die gebührende Würdigung. Der Ruhm der Nachfolger, wie z.B. von Toulouse-Lautrec überstrahlen gelegentlich Chérets Verdienste.
In Deutschland folgte man zunächst einer anderen Entwicklung. Das Plakat als Massenmedium, das für Massenprodukte wirbt, kam erst Ende des 19. Jahrhunderts auf. Die industrielle Entwicklung – und damit der Einsatz des Plakats – hinkte der in England oder Frankreich zunächst um 30 bis 40 Jahre hinterher. Plakate wurden vor allem für große Ausstellungen oder hochwertige Produkte hergestellt. Zudem war der Einsatzbereich eher der Innenraum, so in Passagen, Bahnhöfen und öffentlichen Gebäuden. Im Stile des Historismus und in der Regel als chromolithografisches Verfahren entstanden zahlreiche Blätter. Die Chromolithografie war ein sehr aufwendiges Verfahren. Jede Vollfarbe, jeder Farbton, jeder Halbton benötigte einen eigenen Druckstock, das konnten leicht über 20 Druckstöcke werden. Trotzdem wurde es zu jener Variante der Lithografie, in der zumeist kleinformatige und hochqualitative Abbildungen in höheren Auflagen gedruckt wurden. Verpackungen, Etiketten und Glanzbilder gehörten ebenso dazu wie Landkarten und Kunstreproduktionen.[5]
Die Neuerungen der lithografischen Verfahren für die Gestalter waren enorm. Zum einen konnte man in Farbe arbeiten, zum anderen konnte man die Typografie frei dem Motiv und seinen Farben anpassen, eigens entworfene Schriften direkt nutzen, völlig unabhängig vom Repertoire der Gussbuchstaben in der Druckerei. Auch waren Kombinationen von Lithografie (Farbe und Zeichnung) und Buchdruck (Text) nicht unüblich. Die künstlerische Freiheit wuchs enorm. So fand das für Plakate besonders geeignete Verfahren „a la Chéret“ rasche Verbreitung. Allerdings galt dies nicht für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts blieb es ein spezielles Know-how. Wenn man Plakate in diesem Verfahren drucken lassen wollte, musste man sich an Druckereien in England, Frankreich, Italien oder Belgien wenden. An der Änderung dieses Zustandes arbeitete man ab Ende des 19. Jahrhunderts an verschiedenen Druckereien. Bald schafften sie es, dieses Verfahren über Versuch und Irrtum selbst zu beherrschen. In Berlin z.B. stieg 1896 Ernst Growald (1867–1941) bei der Druckerei Hollerbaum & Schmidt ein, 1897 wird er dort als Leiter der neugegründeten Abteilung „Moderner Druck“ (bis 1914) verpflichtet. Er scharte eine ganze Reihe junger Künstler um sich und entwickelte mit ihnen neue Strategien für das Plakat.[6] Es begann mit der Frage, was ein Plakat eigentlich braucht und was nicht. Es entstand das sogenannte Berliner Sachplakat, das mit dem „Stiller-Schuh“ von Lucian Bernhard (1908) seinen Durchbruch feierte. Growald experimentierte ebenfalls mit der Drucktechnik. Hollerbaum & Schmidt avancierten mit ihren Plakaten bis 1918 (Gestalter und Druckverfahren) zu einer der führenden Druckereien in Deutschland.
Dieser etwas andere Weg zum lithografierten Plakat brachte auch andere Strukturen hervor. So war es nicht üblich, dass Künstler selbst auf den Stein zeichneten. Man lieferte Entwürfe ab, die entsprechend den Format- und technischen Vorgaben umgesetzt und gedruckt wurden. Der Drucker hatte hier hohen Anteil am Endprodukt. Deshalb ist es sinnvoll, bis in die 1930er Jahre hinein den Drucker immer auch zu nennen. Viele der Druckereien erweiterten ihren Firmennamen mit dem Zusatz „Kunstanstalt“, um darauf zu verweisen, dass man die Technik beherrscht. (Abb. 9)
Ab Mitte der 1930er Jahre gewinnt der Offsetdruck an Bedeutung, ab den 1950er Jahren wird das lithografische Verfahren im Prinzip abgelöst. Was bleibt, sind enge Beziehungen zwischen Künstlern und Druckern, die spezielle Vorhaben realisieren helfen. So standen die Berliner Druckerei Graetz, in der schon Käthe Kollwitz (1867–1945) auf den Stein zeichnete, und Volker Pfüller (*1939) über viele Jahre in einem regen Austausch. Pfüller hat nicht nur ein großes Traditionsbewusstsein in Sachen Plakat, sondern versteht sich auch auf die optimale Nutzung drucktechnischer Möglichkeiten. (Abb. 10; Abb. 11)
Tiefdruck
Der Tiefdruck gehört – nach dem Buchdruck – zu den ältesten Druckverfahren. Eine Metallplatte wird poliert und es werden entweder mechanisch oder fotochemisch Vertiefungen in die Platte geritzt oder geätzt. Die Farbe wird in die Vertiefungen eingerieben, überstehende Farbe auf den blanken Flächen entfernt. Das feuchte Papier zieht die Farbe aus den Vertiefungen. Auch hier druckte man zunächst einfarbig. Für die maschinelle Umsetzung und den mehrfarbigen Druck in dieser Technik bedurfte es weiterer Innovationen. Die Herstellung der Druckzylinder ist aufwendig, auch hier wird für jede Farbe ein Druckgang (in diesem Fall ein Zylinder) benötigt. Im Herstellungsprozess werden feingliedrige Vertiefungen – sogenannte Näpfchen – in das Metall geätzt. Das Papier übernimmt die Farbe aus den Näpfchen. Vorteil dieser Technik: Die Strichwiedergabe ist präzise bis in die dünnste Linie. Es können alle Arten von Vorlagen zur Übertragung auf den Druckzylinder genutzt werden – auch Fotografien. Der Vorteil: diese Präzision geht auch bei hoher Druckgeschwindigkeit nicht verloren, was die Technik vor allem für Zeitungen und Zeitschriften interessant macht, aber auch für andere Großserien, wie etwa Etiketten usw. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war der Tiefdruck die einzige Möglichkeit, fotografische Vorlagen zu drucken. Der Aufwand war enorm und doch ging es zunächst nur einfarbig. Farben mussten nachträglich aufgetragen werden. Dies konnte mittels lasierender Farben lithografisch geschehen oder als Handkolorierung. (Abb. 12; Abb. 13; Abb. 14)
Oder man behalf sich mit der Kombination zweier Drucktechniken. (Abb. 15; Abb. 16; Abb. 17; Abb. 18) Hier wurden die farbigen Flächen mittels Buchdrucks oder Lithografie gedruckt, die Fotos im Tiefdruck. Mit dieser Technik begann die massenhafte Verbreitung der Fotografie durch die Wiedergabe in Zeitungen, Zeitschriften u.a. Druckerzeugnissen.
Offsetdruck
Der Offsetdruck ist ein indirektes Flachdruckverfahren; indirekt, weil die Weitergabe der Farbe von der Druckplatte zunächst auf eine Gummiwalze (oder -platte), dann erst auf das Papier erfolgt. Die eloxierte Aluminiumplatte wird – ähnlich der Lithografie – so behandelt, dass wasserführende Schichten und fetthaltige Farben sich gegenseitig nicht überlagern. Auch hier lassen sich unmittelbar keine Halbtöne drucken. Dies geschieht über das sogenannte Rastern, bzw. Aufrastern. Die Rasterstrukturen können dabei unterschiedlich ausfallen. Generell jedoch werden sie im Laufe der Zeit immer kleiner und sind nur noch unter der Lupe zu erkennen. Die Rasterpunkte setzen sich in der Regel aus vier Farben zusammen (Cyan, Magenta, Yellow, Black). Die Dichte der Farbpunkte entscheidet über die Intensität der Farbwahrnehmung und darüber, ob eine Farbe hell oder kräftig wahrgenommen wird. Wie schon bei der Lithografie „a la Chéret“ mischen sich die Farben erst im Auge des Betrachters. Gelb und Blau in gleicher Intensität gerastert ergibt im Auge des Betrachters Grün usw.
Das Aufkommen des Offsetdrucks wird oftmals in die 1920er Jahre verlegt. Damals aber setzte sich lediglich der Begriff „Offsetdruck“ durch. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts experimentierte man mit einer neuen Drucktechnik. Im Jahre 1904 meldeten unabhängig voneinander sowohl Ira Washington Rubel (1860–1908) in Rutherford/New Jersey als auch der deutsche, nach Baltimore/Maryland ausgewanderte Caspar Hermann (1871–1934) ein Patent für das neue Druckverfahren an. Rubel produzierte seit 1904 eigene Bogenoffsetmaschinen, ging aber 1908 Konkurs. Die Produktion übernahmen nun die „Potter Printing Press Company“ in Plainfield/New Jersey und die „George Mann & Co.“ in Leeds, Großbritannien. Ebenfalls im Jahr 1908 erwarb die „Leipziger Schnellpressfabrik von Schwiers, Werner & Stein“ (SWS, gegründet 1898) eine Lizenz zur Herstellung von Bogenoffsetmaschinen bei „George Mann & Co“. Wahrscheinlich war es eine dieser Maschinen (ob als Import oder erste Lizenzproduktion ließ sich nicht mehr feststellen), auf der dieses Plakat aus dem Jahre 1909 gedruckt wurde. Es gehört damit zu den frühesten Offsetdrucken in Deutschland. (Abb. 19; Abb. 20; Abb. 21)
Der andere Erfinder, Caspar Hermann, verkaufte sein Patent an die „Harris Automatic Press Company“ in Niles/Ohio. 1907 brachte er das Verfahren nach Leipzig. Hier stellte er mit der „Triumph“ die erste Bogenoffsetmaschine vor. 1909 erwarb die „Schnellpressenfabrik Frankenthal, Albert & Cie. AG“ das Patent von Hermann und startete ab 1911 mit der Produktion von Bogenoffsetmaschinen.[7]
Das Zeitalter des Offsetdrucks konnte beginnen, kam aber zunächst nur langsam in Fahrt. Die Raster waren noch grob, der Aufwand nicht zu unterschätzen, so tat sich die neue Technik zunächst schwer, Fuß zu fassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch wurde die Technik rasch zur führenden Drucktechnik.
Mit dem Offsetdruck wurde ein Verfahren etabliert, dass für große und sehr große Auflagen geeignet ist, kleinere Auflagen sind auf Grund der umfangreichen Vorbereitungsarbeiten (Druckplattenherstellung, Einrichten der Maschinen, Eindrucken, bis der Farbauftrag stimmt usw.) zu teuer. Aber er ist auch sehr flexibel, so kann man z. B. verschiedenste Materialien bedrucken, kann den Vierfarbdruck mit weiteren Farben oder Lacken ergänzen. Vor allem seit den 1990er Jahren, als man direkt aus dem Computer die Druckplatten belichten konnte, gab es keine Einschränkungen mehr bei der Umsetzung digital entstandener Gestaltungen. Der Offsetdruck wurde so zum kongenialen Partner der gestalterischen Revolution mittels Computer.[8] Farbe, Zeichnung, Fotografie, Typografie usw., alles konnte gerastert und drucktechnisch wiedergegeben werden. Auch die Flexibilität in der Rasterung wurde so erhöht, dass bestimmte nachteilige Rasterüberlagerungen von Vorlage und Druck (Moiré-Effekt) nicht mehr auftreten müssen. Die zunehmend abgestimmten Einstellungen in den entsprechenden Computerprogrammen und Druckmaschinen (sog. Farbprofile) gaben dem Druckprozess in der Standardausführung bereits große Sicherheit in der Farbwiedergabe. (Abb. 22; Abb. 23)
Trotzdem experimentieren Drucker auch immer wieder mit speziellen Farben und Rastern, um z.B. den nutzbaren Farbraum zu erweitern. Einer, der es hierin zur Meisterschaft gebracht hat, war Levon Mosgovian (1907–1994), der mit seiner „Tea Lautrec Lithography“ Druckgeschichte schrieb. Ihm verdanken die psychedelischen Plakate der Hippie-Ära in San Francisco (Mitte 1960er bis Anfang 1970er Jahre) die drucktechnische Umsetzung ihrer umwerfenden Leucht- und flirrenden Farbeffekte. Ganz andere Experimente findet man bei Gerhard Steidl in Göttingen, wo es u. a. um die bestmögliche drucktechnische Wiedergabe von Schwarz-Weiß-Fotografien in der ganzen Palette von hellem Grau bis zu sattem Schwarz geht und darum, möglichst dafür feine Abstufungen zu realisieren.
Siebdruck
Der Siebdruck ist ein Durchdruckverfahren. Farbe wird durch ein feinmaschiges Sieb auf das zu bedruckende Material aufgebracht. Stellen, durch die keine Farbe drucken soll, werden abgedeckt. Dies kann mit Schablonen oder Verklebungen geschehen. Will man mehrfarbig drucken, benötigt man auch hier pro Farbe ein Sieb. Das Verfahren selbst gehört zu den älteren. Der sog. Schablonierdruck wurde in Japan zum Bedrucken von Textilien genutzt, auch in anderen Ländern kannte man ähnliche Verfahren. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden verwandte Techniken zu einer neuen Drucktechnik zusammengeführt. Zentrum dieser Entwicklung war die Ostküste der USA, wo man ab ca. 1912 auch Plakate im Siebdruck herstellen konnte. Über viele Zwischenschritte kam das Verfahren auch nach Europa. Ab den 1930er Jahren wurde es als industrielles Druckverfahren bekannt und vor allem für den Druck von Schildern genutzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg verbreitete sich der Siebdruck – Siebe und Farben wurden verbessert – in vielen Bereichen, von künstlerischer Anwendung bis zum industriellen Einsatz.
Für den Gestalter bietet der Siebdruck verschiedene Vorteile. Es ist ein Verfahren, welches mit geringem Aufwand zu respektablen Ergebnissen führen kann. Es lassen sich Farben extra anmischen, um etwa ungewöhnliche Farbkombinationen zu erzeugen oder spezielle Farbtöne zu nutzen, die man aus dem Vierfarbprozess heraus nicht erzeugen kann. Der Farbauftrag ist satter, die Lichtechtheit besser. Für höhere Ansprüche bei der drucktechnischen Umsetzung aber muss man auch hier auf die Fähigkeiten spezialisierter Drucker zurückgreifen. Dazu gehören in Deutschland z.B. Domberger in Filderstadt, in der Schweiz die Uldry AG in Bern oder in Frankreich etwa Lézard Graphique in Brumath. Ähnlich der Litho-Schnellpresse gibt es auch maschinelle Siebdruckverfahren.
Digitaldruck
Beim Digitaldruck wird ohne den Umweg über einen analogen Druckträger direkt aus der Datei auf den Drucker ausgegeben.
Dazu eignen sich verschiedene Verfahren, die bekanntesten sind der Laser- und der Inkjetdruck. Beide gibt es vom Bürobedarf bis zur Großflächenanwendung, vom künstlerischen bis zum industriellen Druck. Die Entwicklung des Digitaldrucks ging rasant vonstatten, viele Varianten und Variationen tauchten auf und verschwanden wieder. Seit der Jahrtausendwende werden auch Druckqualitäten erreicht, die denen des Offsetdrucks kaum nachstehen. Heutige Digitaldrucke entstehen z.B. mit lichtechten Tinten, deren Tropfen sich im µm-Bereich bewegen und deren Strukturen nur noch mit extremer Vergrößerung zu sehen sind. (Abb. 24; Abb. 25) In einer umfangreichen Studie hat Martin Jürgens 2009 die verschiedensten Druckbilder des Digitaldrucks zusammengetragen.[9] (Abb. 26; Abb. 27; Abb. 28; Abb. 29)
Der große Vorteil liegt jedoch in der Möglichkeit (ähnlich beim Siebdruck), Einzelstücke oder kleinere Auflagen preiswert realisieren zu können. Auch große Formate für CLPs oder 18/1-Plakatstellen werden häufig mittels Digitaldruck produziert. Auch der Nachdruck weniger Exemplare ist in Relation zu anderen Drucktechniken preiswert und schnell herstellbar.
Nun sind Drucker und Drucktechniken nicht die einzigen Faktoren, die Einfluss nehmen auf die Umsetzbarkeit von Gestaltungen. Ebenso wichtig ist auch die Entwicklung des Papiers. Es geht um Formatgrößen, um Bedruckbar- und Festigkeit, um Verhalten im Licht und um Beständigkeit gegen Umwelteinflüsse. Eine weitere Komponente ist die Druckfarbe. Schon zu Zeiten von Toulouse-Lautrec wurde mit künstlichen Farben gedruckt, aber auch hier sind die chemischen Zusammensetzungen entscheidend für die Eigenschaften der Farben beim Drucken, Trocknen, der Lichtechtheit usw.
Viele Variablen sind also zu bedenken und zu beherrschen, ihr Zusammenspiel zu koordinieren, um dem Entwurf eine optimale Wiederqualität in der Vervielfältigung zu ermöglichen. Je mehr ein Gestalter um diese jeweiligen Möglichkeiten wusste, desto optimaler konnte er die jeweils zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auch ausschöpfen, wusste, was machbar ist und was nicht, und konnte so mit Forderungen auch helfen, die Entwicklung voranzutreiben. Das wäre dann eine Frage der Vertiefung und Präzision. Dieser Beitrag sollte zunächst jedoch auf das Thema ganz allgemein verweisen.
[1] Der Text beruht auf einem Vortrag mit dem Titel: Am Anfang war der Drucker! Der Einfluss der Drucker und der Drucktechniken auf die Entwicklung des Plakats um 1900 – Überblick und Ausblick, gehalten am 7. November 2018 an der Folkwang Universität der Künste, Essen, FB Gestaltung. Aspekte auch In: Folkwang Universität der Künste, Essen, FB Gestaltung (Hrsg.): Plakatgestalten: Studierende der Folkwang Universität der Künste blicken auf 100 Jahre Volkshochschule Essen, Essen 2020 (Neue Schrift III; Eigenverlag der FUdK).
[2] Der erste, der Schriften gießen ließ, war natürlich Gutenberg selbst. Noch musste jede Type einzeln gefertigt werden. Eine serienreife Maschine zur Herstellung von Typen ohne Nachbearbeitung entwickelte der Engländer J.R. Johnson im Jahre 1853 (seit 1862 als Komplettgießmaschine). Zur Geschichte der Schriftgießereien siehe: Friedrich Bauer: Chronik der Schriftgießereien in Deutschland und den deutschsprachigen Nachbarländern, Offenbach am Main 1928 (Mit Ergänzungen und Nachträgen von Hans Reichardt, Frankfurt a. M. 2011).
[3] Siehe: Das digitale Schriftarchiv zum Klingspor-Museum Offenbach unter www.klingspor-museum.de.
[4] Die Handpressen hatten eine Kapazität von rund fünfzig Abzügen pro Stunde, die Schnellpressen brachten es auf ca. 1.000 Abzüge pro Stunde.
[5] Siehe: Museum für Kunst und Gewerbe (Hrsg.): Grafikdesign im Jugendstil: der Aufbruch des Bildes in den Alltag: ein Bestandskatalog, Hamburg 2011 (Bearbeitung: Jürgen Döring).
[6] Zum Kreis um Growald gehörten vor 1900: Edmund Edel (1863-1939); Carl Schnebel (1874-1974); Albert Knab (1870-1948); Hans Lindenstaedt (1874-1928); Emil Orlik (1870-1932); ab 1900: Julius Klinger (1876-1942); ab 1903: Lucian Bernhard (Emil Kahn, 1883-1972); ab 1905: Paul Scheurich (1883-1945); ab 1907: Julius Gipkens (1883-Ende 1960er?); ab 1908: Hans-Rudi Erdt (1883-1925); ab 1910: Ernst Deutsch (Dryden, 1883-1938).
[7] Siehe: Boris Fuchs: 200 Jahre Lithographie – 100 Jahre Offsetdruck (Vortrag auf der Tagung des Arbeitskreises Druckgeschichte e.V., Wadgassen 2004 und: Heidelberger Druckmaschinen AG (Hrsg.): 100 Jahre Offsetdruck. Innovation – Markt – Technik, Heidelberg 2004 (Festschrift) | übernommen aus: René Grohnert (Hrsg.): Zeitzeiger. Plakate aus zwei Jahrhunderten, Mainz / Essen 2007, S. 247 (Ausstellungskatalog des Deutschen Plakat Museums).
[8] Die ersten Bildbearbeitungs- und DTP (Desctop Publishing)-Programme waren Photoshop 1 (1990), Aldus Page Maker (1985) und QuarkXpress 1 (1987).
[9] Siehe dazu: Martin Jürgens: The Digital Print, London 2009 und www.the-eye.nl .