Den „FRAUEN DER WIENER WERKSTÄTTE“ war eine großangelegte Ausstellung gewidmet, die im Wiener „MAK – Museum für angewandte Kunst” zu sehen war. Mehr als 800 Exponate gaben dabei Einblick in das wenig bekannte Designschaffen von Frauen in Wien zwischen 1900 und 1930, das die einzigartige Stellung der „Wiener Werkstätte” zwischen Jugendstil und Bauhaus mitbegründet hat. Stellvertretend für andere Künstlerinnen soll hier an Mathilde Flögl erinnert werden. Sie war eine bedeutende Vertreterin der „Wiener Werkstätte” und sie setzte auch im Bereich des Grafikdesigns wichtige Akzente.
„Die typographische Aufmachung dieses Werkes, die man Mathilde Flögl zu danken hat, arbeitet mit großen Flächen, die schwarz, rot, golden, silbern und schließlich weiß gehalten sind und gleichsam einen Untergrund bilden, von dem sich die Bilder abheben. Der Satz, oftmals auch lotrecht gestellt, reicht an die Abbildungen und nicht selten auch an die Ränder des Buches bis auf den Bruchteil eines Millimeters heran, so daß das Satzbild eine interessante Grauwirkung ergibt. Jede Seite wurde vollkommen anders gelöst, um eine Höchstwirkung der Bilder zu erreichen. Die Bogen liefen mehrmals durch die Maschine, wodurch man eine besondere Tiefe und Leuchtkraft der Farbflächen erzielte. Die Wiener Werkstätte hat mit diesem Werk wieder bewiesen, welch hohe kulturelle Bedeutung ihrem Schaffen zukommt, auch in diesem Buch lebt jene Tiefe, veredelte Daseinsfreude, die all ihre Arbeiten kennzeichnet“, konstatierte der Kunstkritiker Karl Maria Grimme in seiner Besprechung des mittlerweile legendär gewordenen Bandes „Die Wiener Werkstätte 1903–1928“.[1]
Der Artikel belegt nicht nur die hohe Wertschätzung für Mathilde Flögl, sondern verweist auch auf deren künstlerische Vielseitigkeit. Die Buchgestaltung war dabei eher ein Randbereich, obwohl Flögl dieses Metier offensichtlich hervorragend beherrschte. Die Schwerpunkte ihrer kreativen Betätigung lagen vielmehr in den Bereichen Keramik, Textil, Dekor und in der Gebrauchsgrafik. In einer ganz eigenen Formensprache gestaltete sie einige Plakate für die Wiener Werkstätte, aber auch Affichen für Ausstellungen des Werkbundes, des Museums für angewandte Kunst oder der Secession.
Mathilde Flögl wurde am 9. September 1893 in Brünn/Brno geboren, wo ihr Vater Direktor der k.k. Lehranstalt für Textilindustrie war – der Hang zum textilen Gestalten lag also offenbar in der Familie.[2] Von 1909 bis 1916 studierte sie an der Wiener Kunstgewerbeschule unter anderem bei Josef Hoffmann, Franz Cizek, Alfred Roller und Oskar Strnad.[3] Von 1916 bis 1931 war sie eine der produktivsten und kreativsten Mitarbeiterinnen der Wiener Werkstätte. Aus jener Zeit haben sich im Archiv der Wiener Werkstätte im Museum für angewandte Kunst über 1.600 Arbeiten Flögls erhalten. Darunter sind sehr viele Entwürfe für Stoffmuster, aber auch für Tapeten, Gläser, Schmuck, Handtaschen, Schirmgriffe, Geschirr, Gebrauchsgrafik und vieles andere mehr.[4]
In der Folge führte Mathilde Flögl ein eigenes Atelier und war dann, von 1935 bis 1941, Lehrerin an verschiedenen Fachschulen im Gebiet des heutigen Tschechiens. 1941 kehrte sie nach Wien zurück, um hier bis 1945 an der Höheren Staatslehranstalt für Frauengewerbe zu unterrichten. Nebenbei war sie in der „Versuchswerkstätte für künstlerische Formgebung“ von Josef Hoffmann tätig, der 1941 „Sonderbeauftragter des Kulturamtes der Stadt Wien für die künstlerische Neubildung des Wiener Kunsthandwerkes“ geworden war.[5] Nach Kriegsende setzte Hoffmann trotz der veränderten politischen Situation das Projekt fort, und Flögl arbeitete weiterhin als Keramikerin in der nunmehrigen „Versuchswerkstätte des Kulturamtes der Stadt Wien“. 1951 erhielt Mathilde Flögl eine Anstellung als Fachlehrerin für Entwurfs- und Modezeichnen an der Bundeslehranstalt für Frauengewerbe in Salzburg, wo sie am 18. Juli 1958 verstarb.[6]
Weitere Hinweise zur Ausstellung:
MAK – Museum für angewandte Kunst
[1] Moderne Welt, 1929/17, S. XI.
[2] Die biografischen Details sind dem von Mathilde Flögl ausgefüllten „Fragebogen für die Aufnahme in die ‚Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs‘“ (Archiv der Berufsvereinigung) entnommen und folgen darüber hinaus dem ausführlichen, von Alexandra Smetana verfassten, Lexikoneintrag im „Allgemeinen Künstlerlexikon“ (2004).
[3] „Abgangszeugnis Fräulein Mathilde Flögl“, k.k. Kunstgewerbeschule, Wien 1916 (Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs, Archiv).
[4] Museum für angewandte Kunst, Archiv der Wiener Werkstätte.
[5] Völkischer Beobachter, 13.6.1941, S.5.
[6] Auskunft des Einwohner- und Standesamtes der Stadt Salzburg mit Schreiben vom 27.7.2018.