Joseph Maria Olbrich: Vom Inserat zum Kaufhaus

Die Wiener Secession (Foto: B. Denscher)

Mit dem Gebäude der Wiener Secession schuf der junge Architekt Joseph Maria Olbrich eines der bedeutendsten Bauwerke des europäischen Jugendstils. Olbrichs Gestaltungswille ging aber weit über die Architektur hinaus und reichte von Entwürfen für Tafelbestecke, Geschirrtücher, Vasen und Öfen über die Karosserie eines Automobils für Opel bis zu verschiedenen Formen der Gebrauchsgrafik.

Geboren wurde der so vielfältig tätige Künstler am 22. Dezember 1867 in Troppau/Opava im damaligen Österreichisch-Schlesien (heute Tschechien). Seine Ausbildung erhielt er an der Staatsgewerbeschule in Wien unter anderem bei Camillo Sitte und dann, von 1890 bis 1893, an der Akademie der bildenden Künste bei Karl von Hasenauer. Von 1893 bis 1898 arbeitete Olbrich im Atelier von Otto Wagner als Projektleiter für den Wiener Stadtbahnbau. Ebenfalls 1898 entstand die Ausstellungshalle der „Vereinigung bildender Künstler – Secession“, zu deren Gründungsmitgliedern Olbrich gehörte.

Entspre­chend der Ideologie der Wiener Secession erschien ihm keine Aufgabe und kein Gegenstand zu minder, um nicht Thema künstlerischer Auseinandersetzung zu sein. Joseph Maria Olbrich war, was für seine gesamte Arbeit von grundlegender Bedeutung wurde, ein hervorragender Zeichner. Dem entsprechend hinterließ er ein bemerkenswertes grafisches Werk: So gestaltete er für die Zeitschrift der Secession „Ver sacrum“ und für die Kataloge der Künstlervereinigung zahlreiche Vignetten. Allein in den ersten beiden Jahrgängen von „Ver sacrum“ finden sich 50 Entwürfe von Olbrich. Die Secessionisten ließen ihren strengen Qualitätsvorstellungen entsprechend in den Publikationen der Vereinigung nur Inserate zu, die Künstler aus ihren Reihen entworfen hatten. Im Archiv der Secession ist unter anderem ein Inseratenentwurf von Olbrich für die Möbel-Firma „Zeisser-Habiger“ aus dem Jahr 1899 erhalten, der dann ein Jahr später im Katalog der 8. Ausstellung leicht verändert veröffentlicht wurde.

Links: Inserat, 1899 / Rechts: Titelblatt, 1899

Es ist verständlich, dass es sich Olbrich nicht nehmen ließ, das Plakat für die erste Ausstellung in dem von ihm entworfenen Secessionsgebäude selbst zu gestalten. Das Bauwerk ist dabei Programm: Eine stilistisch reduzierte Frontalansicht der Ausstellungshalle, nur in Schwarz und Gold, betont den „Markencharakter“ des Hauses. In seiner radikalen Modernität weist das Plakat weit über den Jugendstil hinaus und aufgrund der eleganten formalen Reduktion ist es ein Vorbote des sachlichen Designs der zwanziger und dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts.

Links: Plakat, 1898 / Rechts: Plakat, 1901

Im Jahr 1899 wurde Joseph Maria Olbrich von Großherzog Ernst Ludwig von Hessen nach Darmstadt eingeladen, um die Künstlerkolonie Mathildenhöhe mitzubegründen, wobei Olbrich besonders das architektonische Erscheinungsbild des Projekts bestimmte. Auch für Darmstadt entwarf der Architekt zwei Plakate, die mittlerweile zu den bedeutendsten Beispielen deutscher Plakatkunst gezählt werden.

1907 übersiedelte Olbrich nach Düsseldorf, wo er mit dem Kaufhaus Tietz sein größtes Bauprojekt durchführen konnte. Im selben Jahr wurde er auch Gründungmitglied des Deutschen Werkbundes. Mit nur 41 Jahren verstarb Joseph Maria Olbrich – 20 Tage nach der Geburt seiner Tochter Marianne – am 8. August 1908 in Düsseldorf an Leukämie.

Literatur:
Beil, Ralf – Regina Stephan (Hrsg.): Joseph Maria Olbrich. Architekt und Gestalter der frühen Moderne, Ostfildern 2010.
Schweiger, Werner J.: Aufbruch und Erfüllung. Gebrauchsgraphik der Wiener Moderne 1897–1918, Wien 1988.