„Sehr reizvolle Lösungen findet L. Forstner für Flächenmuster. Das System der Vereinfachung und der strengen Stilisierung von Körperformen, ja deren Verwandlung zu ornamentalen Schmucklinien wird speziell von der Wiener Moderne geistreich geübt.“[1] So charakterisierte Berta Zuckerkandl in ihrer Besprechung der 1903/1904 stattgefundenen Ausstellung „Wiener Kunst im Hause“ die Qualitäten von Leopold Forstner.
„Wiener Kunst im Hause“ war ein Projekt einer Vereinigung junger Künstlerinnen und Künstler, die 1901 begannen, sich verschiedenen Aspekten der angewandten Kunst zu widmen und damit als Vorläufer der Wiener Werkstätte gelten.[2] Für die erwähnte Ausstellung entwarf Leopold Forstner gemeinsam mit Marietta Peyfuss den Katalog und sorgte für das Plakat, das mit seiner extravaganten Typografie eine Art Texträtsel darstellte.
Leopold Forstner wurde am 2. November 1878 in Leonfelden (seit 1961 Bad Leonfelden) in Oberösterreich geboren. Nach dem Besuch der Staatshandwerkschule in Linz setzte er seine Ausbildung von 1899 bis 1902 an der Kunstgewerbeschule in Wien unter anderem bei Kolo Moser fort und ging anschließend an die Münchner Akademie. 1908 gründete er die „Wiener Mosaikwerkstätte“, mit der er an der Kirche am Steinhof in Wien und am Palais Stoclet in Brüssel mitarbeitete – um nur zwei der prominentesten Projekte zu nennen, an denen Forstner künstlerisch beteiligt war.
Aber auch im Bereich der angewandten Grafik brachte der vielseitige Künstler immer wieder Interessantes hervor. So etwa gestaltete er Bücher, arbeitete an der Zeitschrift „Ver sacrum“ mit und schuf auch das Titelblatt des legendären Vorlagenwerks „Die Fläche“.[3] Darüber hinaus entwarf er zahlreiche Plakate und Werbegrafiken.
Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem auch er Wehrdienst leisten musste, gründete Forstner in Stockerau nahe bei Wien eine Werkstatt für Edel- und Hohlgläser. 1926 entwarf und fertigte er fünf Altäre für das Franziskanerkloster in Callicoon im US-Bundesstaat New York an. Doch aufgrund der Weltwirtschaftskrise wurde es immer schwieriger, die Werkstatt wirtschaftlich zu führen, und daher nahm Forstner 1929 eine Stelle als Kunsterzieher am Bundesgymnasium Hollabrunn in Niederösterreich an. Am 5. November 1936 verstarb er – erst 58-jährig – in Stockerau.
Die glückliche Verbindung von ästhetischer Imaginationskraft mit handwerklicher Perfektion macht wohl eine der Besonderheiten von Leopold Forstners Schaffen aus. In ihrer Monografie über Forstner beschreibt die Kunsthistorikerin Martina Bauer dessen Fähigkeiten folgendermaßen: „Mit viel Geschick verhalf er dem künstlerischen Entwurf auf Papier in einem nächsten Schritt zu einem Kunstwerk im Material. Dafür ging er ans Äußerste, experimentierte mit Materialien und Pigmenten und ging unkonventionelle Wege, um für die Auftraggeber und sich selbst das Maximum herauszuholen. Das Finanzielle war dabei nicht immer an erster Stelle, das künstlerische Ergebnis zählte vorrangig.“[4]
[1] Zuckerkandl, Berta: Wiener Kunst im Hause, in: Dekorative Kunst, 12. Bd, 1904, S. 170.
[2] Schmuttermeier, Elisabeth: Auftakt zur Wiener Werkstätte: Die Vereinigung „Wiener Kunst im Hause“, in: Thun-Hohenstein, Christoph – Anne-Katrin Rossberg – Elisabeth Schmuttermeier (Hrsg.): Die Frauen der Wiener Werkstätte, Basel 2020, S. 36ff.
[3] Denscher, Bernhard: Die Fläche und die Wiener Moderne, Wolkersdorf 2021, S. 29.
[4] Bauer, Martina: Leopold Forstner (1878–1936). Ein Materialkünstler im Umkreis der Wiener Secession, Wien 2016, S. 213.