Alle, die sich mit der Geschichte des Grafikdesigns oder mit der Wiener Kunst um 1900 beschäftigen, kommen früher oder später zur Publikationsreihe „Die Fläche“. Diese gehört gemeinsam mit „Ver sacrum“ zu den wesentlichen Publikationsmedien der avantgardistischen Wiener Kunstszene zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Herausgegeben wurde sie zunächst vom Direktor der Wiener „Kunstgewerbeschule“, Felician von Myrbach, gemeinsam mit den Professoren Josef Hoffmann, Koloman Moser und Alfred Roller in zwölf Heften mit jeweils 16 Seiten. Erschienen ist sie im Verlag Anton Schroll & Co in Wien. Der ausufernde Untertitel der Schrift war schon Programm: „Entwürfe für decorative Malerei, Placate, Buch und Druck, Ausstattung, Vorsatzpapier, Umschläge, Menu- u. Geschäftskarten, Illustrationen, Tapeten, Schwarz-Weißkunst, Textiles, Druck- und Weberei-Schablonen, Bleiverglasungen, Intarsia, Stickerei, Monogramme, Kleiderschmuck etc. etc.“ Jahre später folgte die „Fläche II“ in zwei weiteren, diesmal von Bertold Löffler herausgegebenen, wieder jeweils 16 Blatt umfassenden Heften. Bis auf wenige Ausnahmen präsentierten die Professoren Arbeiten ihrer Studentinnen und Studenten an der „Kunstgewerbeschule“ und demonstrierten damit, was ihren Vorstellungen von einem zeitgemäßen Stil in der angewandten Grafik entsprach.
Der Kunstexperte Tobias G. Natter schrieb im Begleitbuch zu der von ihm kuratierten Ausstellung „Kunst für alle“ (2016), die dem „Farbholzschnitt in Wien um 1900“ gewidmet war: „Eine erste Leistungsschau des jungen Farbholzschnitts brachte die Zeitschrift ‚Die Fläche‘. Diese kleine Publikation behauptet sich unter den zahlreichen Magazinen und Mustersammlungen des Wiener Jugendstils hinsichtlich Qualität und Innovation als die ungewöhnlichste.“ Und in einem Katalogeintrag des deutschen Auktionshauses „Ketterer Kunst“ aus dem Jahr 2018 heißt es über die „Fläche“: „Seltene Wiener Jugendstil-Publikation, ein Schlüsselwerk der Wiener Moderne um die Jahrhundertwende“.
Es ist erstaunlich, dass es trotz der unbestrittenen kunsthistorischen Bedeutung der „Fläche“ bis dato weder zur Kategorisierung noch zur Datierung der Einzelhefte gesicherte Befunde gibt. Wurde und wird sie immer wieder als „Kunstzeitschrift“ bezeichnet, so dürfte die Kategorisierung als „Vorlagenwerk“ und „Musterbuch“ wohl eher zutreffend sein. Noch größere Verwirrung herrschte bis dato bezüglich der Datierung. Manche Bibliotheken zogen es vor, das Werk gleich als undatiert zu belassen. In der Literatur und im Kunsthandel schwanken die Angaben zwischen 1901 und 1912. In der vorliegenden Publikation konnte nun aufgrund einer grundlegenden Recherche erstmals eine genauere zeitliche Einordnung der einzelnen Hefte vorgenommen werden.
Diese Publikation in Deutsch und Englisch wendet sich an alle Kunstinteressierten, den Kunsthandel sowie an Bibliotheken und Museen.
Bernhard Denscher: „Die Fläche“ und die Wiener Moderne / “Die Fläche” and Viennese Modernism. Aesculus Verlag. Deutsch / Englisch. 100 Seiten, 63 Farbabbildungen; ISBN 978-3-200-08055-3.