„‚Den Frauen ihr Recht‘ betitelt sich die 16 Seiten starke Kampfschrift, die das Frauenreichskomitee anläßlich des Frauentages 1913 soeben herausgibt. Das Titelbild stellt demonstrierende Proletarierfrauen dar, ihnen voran wird eine mächtige Standarte, ‚Den Frauen ihr Recht‘ getragen.“[1]
Gestaltet wurde das Titelbild mit der Forderung nach dem allgemeinen Wahlrecht von Marianne Saxl-Deutsch. Erhalten hat sich das Bild, das zu einer Art Ikone der österreichischen Frauenbewegung wurde, lediglich in Form einer Ansichtskarte. Der „Arbeiter-Zeitung“ allerdings ist zu entnehmen: „Die Zeichnung ist der Entwurf eines Plakats, das die Wiener Bevölkerung in den nächsten Tagen wohl noch viel besprechen wird“[2]. Leider konnte das Plakat jedoch bis dato in keiner öffentlichen Sammlung gefunden werden. Insgesamt ist das erhalten gebliebene gebrauchsgrafische Œuvre von Marianne Saxl-Deutsch nicht sehr groß, aber aufgrund dieser Arbeit von besonderer Bedeutung.
Marianne Saxl-Deutsch, die am 28. August 1885 als Marianne Deutsch in Wien geboren wurde[3], erhielt ihre achtjährige künstlerische Ausbildung größtenteils in der „Kunstschule für Frauen und Mädchen“ in Wien.[4] Im Jahr 1910 heiratete sie den renommierten, weil auch wissenschaftlich ausgewiesenen Mediziner Dr. Paul Saxl. 1912 organisierte die Künstlerin gemeinsam mit ihrem Mann im Volksheim Ottakring, einem wichtigen Ort der österreichischen ArbeiterInnenbewegung, eine Ausstellung zum Thema „gute und schlechte Werkkunst“.[5] Und sie hielt in Ottakring auch Kurse zu diesem Thema ab.[6]
Marianne Saxl-Deutsch war an verschiedenen Aspekten kreativer Gestaltung interessiert: der Bogen reichte dabei von Malerei über freie und angewandte Grafik bis zu kunstgewerblichen Arbeiten in Metall.[7] Im Bereich der Gebrauchsgrafik sind von Marianne Saxl-Deutsch neben dem Frauentagssujet ein Exlibris sowie drei eigenwillige Kleinplakate aus der Zwischenkriegszeit für die karitative Aktion des „Blindentages“ bekannt. Von 1926 bis 1927 studierte sie an der Kunstgewerbeschule beim Schriftexperten Rudolf Larisch „Ornamentale Schrift und Heraldik“.
1936 beteiligte sich Saxl-Deutsch an der Jubiläumsschau aus Anlass des 25-jährigen Bestehens der „Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreich“ im Ausstellungsgebäude des Hagenbundes. „Das interessante Blatt“ vermerkte dazu: „Marianne Saxl zeigt Hübsches“[8].
Ab 1938 war die Künstlerin, wie alle Jüdinnen und Juden, den brutalen Repressalien der nationalsozialistischen Machthaber ausgesetzt, die bei Marianne Saxl-Deutsch mit ihrer Ermordung am 26. Mai 1942 im Vernichtungslager Maly Trostinec bei Minsk endeten. Ihr Atelier wurde geplündert und ein Großteil ihrer Arbeit ging daher verloren.[9]
[1] Arbeiterwille, 9.3.1913, S.11.
[2] Arbeiter-Zeitung, 28.2.1913, S. 6.
[3] Karolyi, Claudia – Alexandra Smetana: Aufbruch und Idylle. Exlibris österreichischer Künstlerinnen 1900–1945, Wien 2004, S. 149; Smetana, Alexandra: Saxl-Deutsch, Marianne, in: Allgemeines Künstlerlexikon, 101. Band, Berlin 2018, S. 283.
[4] 1923 nahm sie an einer Ausstellung ehemaliger Schülerinnen der „Kunstschule für Frauen und Mädchen“ im Wiener Künstlerhaus teil. Siehe: Neue Freie Presse, 29.1.1923, S. 5.
[5] Neues Wiener Tagblatt, 30.9.1912, S. 9.
[6] Die Zeit, 4.10.1913, S. 6.
[7] Die Zeit, 7.2.1909, S. 29; Bau- und Werkkunst, 1924, S. 61.
[8] Das interessante Blatt, 12.11.1936, S. 10.
[9] Siehe: Einladungskarte aus Anlass der Ausstellung „Marianne Saxl-Deutsch“ im Bezirksmuseum Josefstadt im Jahr 2010.
Printpublikation in: Bernhard Denscher, Gebrauchsgrafik aus Österreich. 51 Lebensläufe. Aesculus Verlag, Wolkersdorf 2022, S. 112-113.