Drei Freunde, Engländer, unternehmen in den 1890er Jahren eine Radtour durch Deutschland und haben dabei eine Reihe von – durchwegs humorvollen – Erlebnissen. Das ist, kurz gefasst, der Inhalt des 1900 erschienenen Romans „Three Men on the Bummel“ des britischen Schriftstellers Jerome K. Jerome. Das Werk ist eine Fortsetzung von Jeromes elf Jahre zuvor, 1889, erschienenen Roman „Three Men in a Boat“. Zwar war es nicht derart erfolgreich wie der vielfach übersetzte und immer wieder neu aufgelegte Vorgänger, immerhin aber erschien schon 1900 auch eine amerikanische Ausgabe. Diese hatte den Titel „Three Men on Wheels“ – vielleicht, um die Leserschaft nicht durch den von Jerome aus dem Deutschen übernommenen Begriff „Bummel“ zu irritieren. Die 1905 publizierte erste deutsche Ausgabe hieß „Drei Männer auf dem Bummel“, eine spätere „Drei Männer auf Bummelfahrt“.
Die drei Männer sind mit einem Normalrad und einem Tandem unterwegs. Zwischendurch gibt es immer wieder Diskussionen über die Qualität der Fahrzeuge. Als einer der beiden Freunde des Erzählers dessen Fahrrad – es ist das Normalrad – benutzt, ist er empört darüber, dass dieses ganz und gar nicht das hält, „was das Plakat verspricht“. Daraus ergibt sich eine bemerkens- und lesenswerte Passage über Plakatwerbung:
„Welches Plakat?“, fragte Harris. „Das Plakat, das für diese Fahrradmarke wirbt“, erklärte George. „Ich sah eines auf einer Plakatwand in der Sloane Street, ein oder zwei Tage vor unserer Abreise. Ein Mann fuhr diese Fahrradmarke hier, ein Mann mit einer Fahne in der Hand: er musste nichts tun, das war sonnenklar; er saß nur auf dem Ding und atmete die frische Luft. Das Fahrrad lief wie von selbst, und es lief gut. Dein Gerät hier lässt mich die ganze Arbeit tun. Es ist ein fauler Lümmel; wenn man es nicht tritt, tut es einfach nichts. Ich würde mich an deiner Stelle darüber beschweren.“
Wenn man darüber nachdenkt, fällt einem auf, dass nur wenige Fahrräder der Plakatwerbung entsprechen. Ich kann mich nur an ein einziges Plakat erinnern, das zeigte, wie sich der Radfahrer anstrengte. Allerdings wurde dieser Mann von einem Stier verfolgt. Normalerweise aber ist es das Ziel des Plakatkünstlers, den zögernden Anfänger davon zu überzeugen, dass der Radsport darin besteht, auf einem luxuriösen Sattel zu sitzen und von unsichtbaren himmlischen Mächten schnell in die gewünschte Richtung bewegt zu werden.
Meist handelt es sich bei der radelnden Person um eine Dame, bei deren Anblick man das Gefühl hat, dass für das Erreichen perfekter körperlicher Ruhe in Verbindung mit völliger Angstfreiheit selbst ein Schlummer auf einem Wasserbett nicht zu vergleichen ist mit dem Fahrradfahren auf einer hügeligen Straße. Nicht einmal eine auf einer Sommerwolke reisende Fee könnte die Dinge gelassener sehen als das Fahrradmädchen, so das Plakat.
Ihre Bekleidung ist für das Radfahren bei heißem Wetter ideal. Zugegeben, altmodische Wirtinnen könnten ihr das Mittagessen verweigern; und engstirnige Polizisten könnten sie festnehmen wollen, nachdem sie sie zuvor mit einem Teppich umhüllt haben. Aber das interessiert sie nicht. Bergauf und bergab, durch Verkehr, der die Gewandtheit einer Katze erfordert, über Straßenbeläge, die eine durchschnittliche Dampfwalze kaputtgehen lassen, fährt sie dahin, die Verkörperung entspannter Lieblichkeit; ihr blondes Haar flattert im Wind, ihre sylphidenhafte Gestalt in lässiger Haltung, ein Fuß auf dem Sattel, der andere locker auf der Lampe ruhend. Manchmal lässt sie sich dazu herab, sich auf den Sattel zu setzen; dann stellt sie ihre Füße auf die Rasten, zündet sich eine Zigarette an und schwingt einen chinesischen Lampion über ihrem Kopf.
Seltener ist es ein einfaches männliches Wesen, das dahinradelt. Er ist nicht ein so vollendeter Akrobat wie die Dame; aber simple Tricks, wie auf dem Sattel zu stehen und Fahnen zu schwenken, Bier oder Rinderbrühe während des Fahrens zu trinken, kann auch er vorführen. Irgendetwas, so ist zu vermuten, muss er machen, um sich geistig zu beschäftigen: Stunde um Stunde still auf diesem Gerät zu sitzen, ohne etwas zu tun oder zu denken zu haben, hat keinen Reiz für einen aktiven Mann. Und so sehen wir ihn, wie er sich, wenn er sich einer Anhöhe nähert, auf die Pedale stellt, um die Sonne anzubeten oder die Poesie der umgebenden Landschaft zu besingen.
Gelegentlich ist auf dem Plakat ein Rad fahrendes Paar dargestellt; und da begreift man, wie sehr das moderne Fahrrad beim Flirten dem altmodischen Salon oder dem antiquierten Gartentor überlegen ist. Er und sie besteigen ihre Fahrräder, wobei sie natürlich darauf achten, dass diese das richtige Fabrikat sind. Danach brauchen sie an nichts anderes zu denken als an die alte, süße Geschichte. Durch schattige Gassen, durch geschäftige Städte an Markttagen, munter rollen die Räder der „Bermondsey Companyʼs Bottom Bracket Britainʼs Best“ oder der „Camberwell Companyʼs Jointless Eureka“ dahin. Da muss nicht in die Pedale getreten werden; da braucht nicht gelenkt werden. Überlassen Sie ihnen alles Weitere und sagen Sie ihnen, wann Sie nach Hause kommen wollen, das ist alles, was sie benötigen. Während Edwin sich aus seinem Sattel lehnt, um Angelina die lieben, alten Nichtigkeiten ins Ohr zu flüstern, während Angelinas Gesicht, um das Erröten zu verbergen, nach hinten zum Horizont gewandt ist, setzen die Fahrräder wie verzaubert ihren gleichmäßigen Kurs fort.
Und immer scheint die Sonne, und die Straßen sind immer trocken. Keine strengen Eltern fahren hinterher, keine störende Tante nebenher, kein teuflischer kleiner Bruder schaut um die Ecke, nie kommt jemand ins Schleudern. Ach je! Warum gab es in unserer Jugend keine „Britain’s Best“ oder „Camberwell Eurekas“ zu mieten?
Oder vielleicht steht „Britainʼs Best“ oder „Camberwell Eureka“ an ein Gatter gelehnt; vielleicht ist es müde. Es hat den ganzen Nachmittag hart gearbeitet, diese jungen Leute getragen. Gnädig gestimmt sind sie abgestiegen, um dem Gerät eine Pause zu gönnen. Sie sitzen im Gras im Schatten anmutiger Äste; es ist langes und trockenes Gras. Ein Bach fließt an ihren Füßen vorbei. Alles ist voll Ruhe und Frieden.
Das ist die Idee, die der Fahrradplakatkünstler stets vermitteln will – Ruhe und Frieden.
Aber es stimmt nicht, wenn ich sage, dass sich, gemäß Plakat, kein Radfahrer jemals anstrengen muss. Wenn ich darüber nachdenke, so habe ich doch Plakate gesehen, die Herren auf Fahrrädern zeigen, die sich sehr anstrengen – überanstrengen, möchte man fast sagen. Sie sind dünn und ausgemergelt durch die Mühsal, Schweißperlen stehen ihnen auf der Stirn; man fühlt, dass sie, wenn es hinter dem Plakat noch einen Hügel gibt, entweder absteigen oder sterben müssen. Aber das ist das Ergebnis ihrer eigenen Torheit. Es geschieht, weil sie stur ein Gerät einer minderwertigen Marke fahren. Würden sie einen „Putney Popular“ oder einen „Battersea Bounder“ fahren, wie der vernünftige junge Mann in der Mitte der Plakatradler, dann bliebe ihnen diese ganze unnötige Mühe erspart. Dann brauchten sie nur noch, als Zeichen der Dankbarkeit, glücklich dreinzuschauen; vielleicht gelegentlich ein wenig gegenzutreten, wenn das Fahrrad in seinem jugendlichen Elan für einen Moment den Kopf verliert und zu schnell wegflitzt.
Ihr müden jungen Männer, die ihr niedergeschlagen auf Meilensteinen sitzt, allzu erschöpft, um den stetigen Regen zu beachten, der euch durchnässt; ihr ermatteten Mädchen mit den glatten, feuchten Haaren, besorgt darüber, wie spät es ist, die ihr fluchen wollt, ohne zu wissen, wie; ihr korpulenten, kahlköpfigen Männer, die ihr sichtbar weniger werdet, während ihr die endlose Straße dahinkeucht und -grunzt; ihr hochrot angelaufenen, deprimierten Matronen, die ihr das langsame, unwillige Rad unter Schmerzen benutzt; warum habt ihr nicht darauf geachtet, dass ihr ein „Britainʼs Best“ oder ein „Camberwell Eureka“ kauft? Warum sind die Fahrräder minderwertiger Fabrikate im ganzen Land so weit verbreitet?
Oder ist es mit dem Radfahren genauso wie mit allen anderen Dingen: dass das Leben nirgendwo so ist wie auf einem Plakat?
Übersetzt und eingeleitet von Barbara Denscher auf Basis von: Jerome K. Jerome: Three Men on the Bummel. Bristol, J.W. Arrowsmith, 1900. S. 224ff.