„Wir kennen keine Unterscheidung zwischen ‚hoher Kunst‘ und ‚Kleinkunst‘, zwischen Kunst für die Reichen und Kunst für die Armen. Kunst ist Allgemeingut“, hieß es im Januar 1898 in der ersten Ausgabe der Zeitschrift der Wiener Secession, „Ver sacrum“.[1] Gustav Klimt ließ es sich als Gründungpräsident der Künstlervereinigung diesem Motto entsprechend nicht nehmen, das Plakat für die erste Ausstellung der Secession selbst zu gestalten.
Gustav Klimt wurde am 14. Juli 1862 in Baumgarten, einem Ort, der heute Teil des 14. Wiener Gemeindebezirk ist, geboren. Sein Vater war Goldgraveur, und so kam Klimt schon sehr früh mit angewandter Kunst in Berührung. Früh zeigte sich auch die bildnerische Begabung, über die nicht nur Gustav Klimt verfügte, sondern auch dessen Brüder Ernst und Georg, die ebenfalls künstlerische Laufbahnen einschlugen.
Nach dem Studium an der Kunstgewerbeschule in Wien gründete Gustav Klimt mit seinem Bruder Ernst und mit Franz Matsch eine Ateliergemeinschaft. Die drei erhielten namhafte Aufträge im In- und Ausland im Bereich der Dekorationsmalerei, wie etwa Deckengemälde im Wiener Burgtheater oder Wandmalereien im Wiener Kunsthistorischen Museum. In dem 1881 erschienenen Vorlagenwerk „Allegorien und Embleme“ waren Arbeiten von Gustav Klimt enthalten, die zu wichtigen Vorbildern für Illustratoren jener Zeit wurden.
1892 beauftragte die „Oestereichisch-ungarische Bank“, die Vorläuferin der heutigen „Österreichischen Nationalbank“, Klimt und Franz Matsch mit dem Entwurf von Banknoten. Die Arbeiten wurden jedoch nicht angenommen, da sie nach Meinung der Verantwortlichen „so wenig Ansprechendes in ihrer ganzen Conception“ hatten.
1897 trat Gustav Klimt mit einigen Gesinnungsgenossen unter Protest aus der Vereinigung „Künstlerhaus“ aus und wurde Gründungspräsident der Wiener Secession. Schon im März 1898 kam es zur ersten Ausstellung der progressiven Gruppe. Spektakulär und aufsehenerregend wie die Schau sollte auch das Plakat dafür sein. Klimt wählte eine Szene aus der antiken Mythologie, um den Kampf der Avantgarde gegen den Konservativismus darzustellen: Der nackte Theseus kämpft gegen den finsteren Minotaurus, während die wehrhafte Pallas Athene, die Göttin der Weisheit und der Kunst, den Vordergrund des Bildes bestimmt. Das Blatt ist eines der ersten Beispiele für eine neue, moderne Plakatentwicklung in Österreich, in der im Sinne der damals international aktuellen Flächenkunst die Darstellung auf einige wenige Elemente reduziert wurde und so sehr einprägsam wirkte. Allerdings wurde die Arbeit von der Zensur aufgrund der Nacktheit des Theseus verboten, und so musste Klimt die Kampfszene in einen Wald verlegen, damit die „heiklen“ Blößen der Figur von einem Bäumchen verdeckt wurden.[2] Schon damals stieß eine derartige Prüderie auch auf Unverständnis – so etwa schrieb die liberale „Neue Freie Presse“ am 25. März 1898 in ihrer Ausstellungsankündigung: „Im letzten Moment wurden die Secessionisten durch ein für die Nichtbetheiligten sehr heiteres Censurstückchen getroffen. Man confiscirte ihnen das von Klimt angefertigte Placat. Theseus, der den Minotaurus niederringt, war nach Ansicht der Censurbehörde zu leicht gekleidet, obwohl er das übliche Feigenblatt trug. Der Beschlagnahme fiel die ganze bereits gedruckte Auflage der Placate zum Opfer, und die Secessionisten mußten sich, da sie nicht mehr Zeit haben, neue Placate herzustellen, dazu entschließen den Theseus mit Streifen zu versehen. Das Publicum hat übrigens Gelegenheit, die Originalskizze des Placats im (3.) Märzhefte der Zeitschrift ‚Ver sacrum‘ zu sehen.“[3]
Weitere Arbeiten angewandter Grafik von Gustav Klimt waren Gestaltungen von Ausstellungskatalogen und Illustrationen für „Ver sacrum“ sowie für den Almanach der Wiener Werkstätte. Für die 18. Ausstellung der Secession im Jahr 1903, die ausschließlich seinem Werk gewidmet war, gestaltete Gustav Klimt ebenfalls das Plakat. 1905 trat er mit einigen Anhängern – und auch hier wieder unter Protest – aus der Secession aus, unter anderem deshalb, weil man auch hier der angewandten Kunst zu wenig Augenmerk schenken wollte. Klimt war dann auch Mitinitiator und Präsident der Kunstschau 1908, bei der es wieder in exemplarischer Weise um die Verbindung von freier und angewandter Kunst ging.
Gustav Klimt starb am 6. Februar 1918 im Wiener Allgemeinen Krankenhaus an den Folgen eines Schlaganfalles – wenige Monate vor seinem Freund Egon Schiele. Drei Tage später wurde er auf dem Hietzinger Friedhof im 13. Wiener Gemeindebezirk beigesetzt.
Printpublikation in: Bernhard Denscher, Gebrauchsgrafik aus Österreich. 51 Lebensläufe. Aesculus Verlag, Wolkersdorf 2022, S. 8–12.
[1] Ver sacrum. Organ der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 1898/1, S. 1.
[2] Vgl. dazu: Denscher, Bernhard: Zensurfall Gustav Klimt, in: Werbung Kunst und Medien in Wien (1888–1938), Wolkersdorf 2021, S. 25ff.
[3] Neue Freie Presse, 25.3.1898, S. 8.