Maria Zeiller-Uchatius

Vorsatzpapier, um 1905

Immer wieder wird diese Episode aus dem Jahr 1908 erzählt: Gustav Mahler sah und hörte vom New Yorker Hotel Majestic aus eine Trauerprozession. Die würdige Zeremonie, bei der auf eine Ansprache ein gedämpfter Trommelschlag folgte, berührte den Komponisten so sehr, dass er sie in seiner 10. Symphonie musikalisch verarbeitete. Augen- und Ohrenzeuginnen der Prozession waren damals auch Alma Mahler und eine junge Kunststudentin aus Wien – Maria von Uchatius.[1]

Maria von Uchatius, die sich auch Mizzi oder Marie nannte, wurde am 9. März 1882 in Wien geboren. Sie besuchte die Zeichenschule des Frauen-Erwerb-Vereins und studierte in der Folge von 1900 bis 1906 an der Kunstgewerbeschule in Wien vor allem bei Felician von Myrbach und Carl Otto Czeschka. Auch sie gehörte zu jenen Begabten, die in ihrer Studienzeit Arbeiten in der „Fläche“ publizieren konnten, wie ein Entwurf für den Umschlag einer Zeitschrift und einige Tierstudien zeigen.

Tiere waren Zeit ihres Lebens ein wichtiges künstlerisches Thema für Maria von Uchatius. Eine zweite Konstante ihres kreativen Schaffens war die Kreation von Kinderspielzeug. Nachhaltigen, weil bis in die Gegenwart reichenden Erfolg hatten die von ihr schon als Studentin entworfenen Vorsatz- und Dekorpapiere. Herausragend waren auch ihre Arbeiten im Bereich der gegenständlichen Kunst des Farbholzschnitts.[2]

Studie aus dem Mappenwerk „Die Fläche“, 12/1904

Nach ihrer Ausbildung in Wien folgten Studien- und Arbeitsaufenthalte in Paris und New York, wo sie eben auch mit Gustav Mahler und dessen Frau Alma Kontakt hatte.

Die Teilnahmen von Uchatius an der großen Kunstgewerbeschau 1908 war ein Höhepunkt, aber auch eine Art Abschluss ihrer erfolgreichen „Wiener Karriere“: Uchatius war in dem von Bertold Löffler gestalteten, der Plakatkunst gewidmeten Raum 10 vertreten, zeigte aber auch eine Löwen-Fayence und in dem von Kolo Moser kuratierten Grafik-Bereich Buchschmuck sowie eine „Malerei auf Pergament“.[3]

In dem für die Künstlerin ereignisreichen Jahr 1908 erhielt Maria von Uchatius schließlich eine Anstellung an der Fachschule für Bildschnitzer im Südtiroler St. Ulrich, wo auch der Bildhauer Ott(o)mar Zeiller unterrichtete. 1910 heirateten die beiden und zogen – genau genommen – nicht nach Hall in Tirol, wie in der Fachliteratur meist vermerkt ist, sondern nach Heiligkreuz, das erst 1939 nach Hall eingemeindet wurde.[4] Von da an bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1934 unterrichtete Zeiller-Uchatius, wie sie sich fortan nannte, an der Staatsgewerbeschule in Innsbruck. Jahrelang hielt sie auch Kurse für Frauen und Mädchen „zur Ausbildung im kunstgewerblichen Zeichnen, Entwerfen von Handarbeiten, Anfertigung von Holzschnitten, Spielwaren usw.“[5] ab. Neben ihrer Lehrtätigkeit, die sie mit großem Engagement betrieb, illustrierte sie immer wieder auch Bücher. So etwa die 1925 im Tyrolia-Verlag erschienene Anthologie „Was Tiere erleben“, deren Bebilderung noch ganz im Geist und in der Qualität der Kunstgewerbeschule geschaffen wurde.

Illustrationen aus der Anthologie „Was Tiere erleben“ (Innsbruck 1925)

Bereits 1921 war ihr Mann, von dem sie sich schon Jahre zuvor getrennt hatte, verstorben[6], und Zeiller-Uchatius hatte neben ihren beruflichen Verpflichtungen auch ihre zwei Kinder alleine zu betreuen. Da blieb offensichtlich für eine freie künstlerische Betätigung wenig Spielraum. Ihr Schicksal erscheint damit als paradigmatisch für eine ganze Reihe von Künstler-Kolleginnen aus ihrer Generation: Kaum eine Ausstellung oder Publikation über die Kunst in Wien um 1900 kommt ohne Werke von Zeiller-Uchatius aus, doch nach dem Studium, während dem sie von einer modernen Professorenschaft noch gefördert worden war, eröffneten sich für Künstlerinnen wie sie nur wenige Möglichkeiten im Ausstellungswesen, es gab kaum  Aufträge im Bereich der Gebrauchsgrafik, und ein Lehrauftrag an einer Hochschule war für Frauen nahezu unerreichbar.

Am 8. September 1958 verstarb Maria Zeiller-Uchatius in Innsbruck[7] und – um auch hier genau zu sein – nicht in Hall in Tirol, wie in der entsprechenden Literatur vielfach behauptet wird.

Printpublikation in: Bernhard Denscher, Gebrauchsgrafik aus Österreich. 51 Lebensläufe. Aesculus Verlag, Wolkersdorf 2022, S. 95–97.

[1] Mahler-Werfel, Alma: Erinnerungen an Gustav Mahler, Frankfurt/Main 1971, S. 164.
[2] Natter, Tobias G. – Max Hollein – Klaus Albrecht Schröder (Hrsg.): Kunst für alle. Der Farbholzschnitt in Wien um 1900, Köln 2016, S. 391.
[3] Katalog der Kunstschau Wien 1908, S. 12, 22, 52, 53.
[4] Freundliche Auskunft des Stadthistorikers Dr. Alexander Zanesco vom Stadtamt Hall in Tirol.
[5] Allgemeiner Tiroler Anzeiger, 29.9.1921, S. 4; Vgl. auch: 21.9.1926, S. 6; 4.10.1930, S. 9; 26.9.1931, S. 10; 1.10.1932, S. 8; 30.9.1933, S. 10.
[6] Greinz, Hugo: Knulp aus Tirol, in: Neues Wiener Tagblatt, 5.7.1921, S. 2f.
[7] Deutsche Nationalbibliothek unter Hinweis auf den entsprechenden Akt im Tiroler Landesarchiv. Signatur: TLA, MF 1170/06 Matriken Innsbruck Krankenhaus Kaplanei TO 11 (Teil 1) 1955-1958 (0191).