Poesie des Ornaments

Josef Hoffmann, Entwurf für das Wiener Werkstätte-Kabarett „Fledermaus“, 1907 (Backhausen-Archiv, Vermächtnis von Frau Dr. Louise Kiesling, Dauerleihgabe im Leopold Museum)

Textile Gestaltungen werden in der Geschichte des Grafikdesigns oft übersehen, sie gelten eher als untergeordnete Elemente der Modegeschichte oder des Interieurdesigns. Dies zu Unrecht, denn Vorhangstoffe oder Teppiche stellen ähnliche Flächengestaltungen wie etwa Schmuckpapiere dar. Josef Hoffmann, Koloman Moser und Alfred Roller waren sich als künstlerische Grenzüberschreiter der Nähe von Arbeiten auf Papier und jenen in Textil wohl bewusst. So widmeten sie die von ihnen gemeinsam mit Felician von Myrbach herausgegebene Mustermappe „Die Fläche“ neben der Grafik in vielfachen Ausformungen ebenso den Kategorien „Textiles“, „Weberei-Schablonen“ und „Stickerei“.[1]

Josef Hoffmann, Teppich für das Kabarett Fledermaus, Ausführung, 1907 (Backhausen-Archiv, Vermächtnis von Frau Dr. Louise Kiesling, Dauerleihgabe im Leopold Museum)

Folgerichtig entwickelte die von Josef Hoffmann, Koloman Moser und Fritz Waerndorfer initiierte „Wiener Werkstätte“ eine entsprechend große Produktpalette, in der Stoffentwürfe bedeutende Plätze einnahmen.

Der dominierende Produzent im Bereich von Möbel- und Dekorstoffen war dabei die österreichische Firma Backhausen. Das Unternehmen geht auf den aus dem Rheinland stammenden Weber Jacob Backhausen zurück, der sich 1811 in Wien ansiedelte. Seine Nachfahren führten die Weberei weiter, bis der Betrieb zu Anfang des 20. Jahrhunderts als K.K. Hoflieferant in enger Zusammenarbeit mit den Kreativen von Secession und Wiener Werkstätte einen sowohl wirtschaftlichen wie auch künstlerischen Höhepunkt erlebte.

Das Wiener Leopold Museum hat nun unter dem Titel „Poesie des Ornaments. Das Backhausen-Archiv“ diesem spannenden Kapitel der angewandten Kunst eine umfassende und beeindruckende Ausstellung gewidmet. Möglich gemacht wurde das Projekt durch die großzügige Entscheidung der Familie von Dr. Louise Kiesling, der letzten Eigentümerin von Backhausen, das Archiv als Dauerleihgabe an das Leopold Museum zu geben. Ursula Oswald-Graf, die Ko-Kuratorin der Ausstellung, erläutert zum Backhausen-Archiv: „Mit seinen tausenden Objekten steht es seit 2022 unter Denkmalschutz. Dr. Louise Kiesling (1957–2022) und ihrer Familie ist es zu danken, dass heute dieser historisch, kunsthistorisch und textilgeschichtlich äußerst wertvolle Bestand aus über 100 Jahren österreichischer Textilproduktion digitalisiert und erschlossen wurde und nun an seinem neuen Standort, dem Leopold Museum, zur weiteren Beforschung offensteht.“[2]

Koloman Moser, beide Entwürfe 1899 (Backhausen-Archiv, Vermächtnis von Frau Dr. Louise Kiesling, Dauerleihgabe im Leopold Museum)

Die Ausstellung beginnt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Historismus, als die Firma Backhausen bedeutende Gebäude der neuerrichteten Ringstraße, wie das Parlament, die Oper oder das Burgtheater, mit ihren Stoffen ausstattete.

Um die Jahrhundertwende war Backhausen mit Jugendstil-Dessins von so prominenten Entwerfern wie Otto Wagner, Heinrich Lefler oder Joseph Maria Olbrich topaktuell. Eine besonders fruchtbringende Zusammenarbeit ergab sich mit Koloman Moser und Josef Hoffmann. Die beiden sorgten nicht nur für eine Reihe von hervorragenden Entwürfen, sondern als Professoren der Kunstgewerbeschule (heute Universität für angewandte Kunst) mit ihren Schülerinnen und Schülern für kreativen Nachwuchs bei Backhausen. Hier sind unter anderen Fritz Dietl, Lotte Frömel-Fochler, Helene Geiringer, Otto Prutscher, Else Unger oder Carl Witzmann zu nennen.

Jutta Sika, 1905 (Backhausen-Archiv, Vermächtnis von Frau Dr. Louise Kiesling, Dauerleihgabe im Leopold Museum)

Als Hauptlieferant für die Wiener Werkstätte wurde Backhausen zum textilen Ausstatter von Josef Hoffmanns Hauptwerken, dem Sanatorium Purkersdorf, dem Palais Stoclet in Brüssel und der Villa Skywa-Primavesi in Wien-Hietzing. Die Bauten zählen zu den wichtigsten, international rezipierten Beispielen der Architektur-Moderne.

Nach dem Ersten Weltkrieg ging die Zusammenarbeit von Backhausen mit der Wiener Werkstätte weiter, doch die allgemein schlechte Wirtschaftslage beeinträchtigte auch hier den Fortgang der Geschäfte.

Ungeachtet des hohen Ansehens des Traditionsbetriebes und einiger Export-Erfolge musste Backhausen, geführt in der sechsten und siebenten Familiengeneration, im Jahr 2012 Insolvenz anmelden. 2014 übernahm die ausgebildete Designerin und Investorin Louise Kiesling mit großem Enthusiasmus die Firma, doch ihr Tod im Jahr 2023 bedeutete das endgültige Aus für das traditionsreiche Unternehmen.

Otto Prutscher, 1905 (Backhausen-Archiv, Vermächtnis von Frau Dr. Louise Kiesling, Dauerleihgabe im Leopold Museum)

Trotz dieses in jeder Hinsicht bedauerlichen Endes hat Backhausen eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte aufzuweisen, wie Ko-Kuratorin Aline Marion Steinwender analysiert: „Dem Unternehmen oblag die textile Ausstattung der prestigeträchtigsten Prachtbauten Wiens und es prägte die Wiener Moderne auf nationaler wie internationaler Ebene, indem es über viele Jahre hinweg verstand, Tradition und Avantgarde miteinander zu verweben.“[3]

Ein Besuch der Ausstellung bietet das faszinierende Erlebnis, Höhepunkte der angewandten Kunst in Form von 203 Stoffentwürfen von hervorragenden Entwerferinnen und Entwerfern im Original betrachten zu können. All dies wird kompetent erklärt und durch entsprechendes Bildmaterial von Interieurs klug ergänzt. Nicht vergessen wurde auf die Werktätigen, die in der Fabrik in harter Arbeit diese textilen Kostbarkeiten geschaffen haben und an die mit einigen Großfotos erinnert wird. Der umfassende, reich illustrierte Katalog sorgt für die entsprechende Nachhaltigkeit des vorbildlichen Projektes.

Weitere Hinweise:
Leopold Museum

Bis 9. März 2025

[1] Die Fläche I, Wien 1902–1904. Vgl. dazu auch: Denscher, Bernhard: Die Fläche und die Wiener Moderne, Wolkersdorf 2021.
[2] Oswald-Graf, Ursula: „Das Backhausen-Archiv und der Publikumsgeschmack, in: Oswald-Graf, Ursula – Aline Marion Steinwender – Hans Peter Wipplinger (Hrsg.): Poesie des Ornaments. Das Backhausen-Archiv, Köln 2024, S. 31.
[3] Steinwender, Aline Marion: Backhausen – ein Stück österreichischer Textilgeschichte, in: Oswald-Graf, Ursula – Aline Marion Steinwender – Hans Peter Wipplinger (Hrsg.): Poesie des Ornaments. Das Backhausen-Archiv, Köln 2024, S. 26.