„Es ist ein hübscher Zug unserer Zeit, daß sie auch das Kleine und Alltägliche wieder zu schmücken unternimmt“[1], schrieb der Kunstkritiker Franz Servaes im November 1899 in der „Neuen Freien Presse“. Es war die künstlerische Gestaltung von Kalendern, auf die er sich damit vor allem bezog, denn diese war zu jener Zeit in Wien richtiggehend zur Mode geworden. Wegbereiter dabei waren wohl die beiden Hagenbund-Mitbegründer Heinrich Lefler und Joseph Urban mit einem von ihnen gezeichneten Kalender, der im Jahr 1898 monatsweise in der Zeitschrift „Kunst und Kunsthandwerk“ erschien, gewesen.[2]
Besonders engagiert zeigte sich der Wiener Verlag Fromme, der gemeinsam mit Kolo Moser eine vom modernen Jugendstil geprägte Linie in die Kalender brachte. Auch für die Wiener Secessionisten lag es nahe, dass sie in ihrer Hauszeitschrift „Ver sacrum“ von 1901 bis 1903 anspruchsvoll gestaltete Kalenderillustrationen publizierten. Wie schon bei den Secessionsplakaten war es auch hier Gustav Klimt vorbehalten, das erste Blatt zu gestalten. Dann folgten nahezu alle, die Rang und Namen innerhalb der Künstlervereinigung hatten: Josef Maria Auchentaller, Adolf Böhm, Otto Friedrich, Friedrich König, Wilhelm List, Josef Hoffmann, Kolo Moser, Leopold Stolba und einige mehr. Und angesichts der Tatsache, dass bis 1949(!) keine Frauen in die Secession aufgenommen wurden, ist es bemerkenswert, dass hier mit Charlotte Andri-Hampel und Elena Luksch-Makowsky zumindest zwei Künstlerinnen in dieser Liste zu finden sind.
Zum Boom der neuartig modern gestalteten Kalender in Wien um 1900 merkte Werner J. Schweiger an: „Zum einen boten Kalender ideale Möglichkeiten, Kunst ins tägliche Leben zu tragen, zum anderen ‚wirkte‘ ein Kalender durch den Gebrauch ein volles Jahr lang und war ebenso Propaganda für die neue Kunstrichtung wie ‚Erziehungsmittel‘, auch wenn man sich nicht vorstellen darf, daß die modernen Kalender in allzu großer Auflage erschienen.“[3]
[1] Neue Freie Presse, 26.11.1899, S. 33.
[2] Schweiger, Werner J.: Aufbruch und Erfüllung. Gebrauchsgraphik der Wiener Moderne, Wien 1988, S. 94.
[3] Ebenda.