Renato Zavagli Ricciardelli delle Caminate wurde 1909 in Rimini geboren, seine Mutter war Französin und hieß Maria Gruau. Und unter dem Namen der Mutter wurde der französisch-italienische Adelige zu einem der bedeutendsten Modeillustratoren seiner Zeit. 1928 ging er nach Paris, wo er als Zeichner für die renommiertesten Magazine arbeitete, bald kamen auch Aufträge aus der Werbung hinzu. Glamour und Eleganz beherrschten dabei sein Leben: Luxuriöse Modehäuser, Kosmetikfirmen und mondäne Nachtclubs gehörten ebenso zu seinen Auftraggebern wie die bekanntesten Modejournale.
Zu Recht schrieb Christine Brinck in der „Zeit“ anlässlich einer Ausstellung des Grafikers in München im Jahr 1994: „René Gruau, der Freund aller großen Modeschöpfer der vierziger, fünfziger und sechziger Jahre, insbesondere von Christian Dior und Jacques Fath, das ‚große Vorbild‘ der Modezeichner und Graphiker, ist ein Mann, der unsere Sehweisen bestimmt hat. Seine Werbewerke –, tausendfach geklaut oder auf Postkarten reproduziert, haben sich in unser Gedächtnis eingebrannt, schwarz, weiß, rot, manchmal gelb – immer sparsam, klar und raffiniert.“
Über siebzig Jahre, bis zu seinem Tod am 31. März 2004 in Rom, war René Gruau als Künstler aktiv, und eine ganze Epoche lang bestimmte er das grafische Erscheinungsbild von Dior und die Gestaltung vieler internationaler Modemagazine. Rezipiert wurde er dabei vor allem als Schöpfer eleganter Frauenbildnisse. Nun aber ist im New Yorker Verlag Assouline ein opulenter Bildband erschienen, der einen bisher wenig beachteten Aspekt im Werk von Gruau zeigt – denn hier steht der Mann als Motiv im Mittelpunkt. Im Auftrag der Herrenmode-Magazine „Club“, „Sir“ und „Adam“, aber auch für „Dior pour hommes“ entwarf Gruau zahlreiche Arbeiten, die vor allem das „coole“ Lebensgefühl der fünfziger und sechziger Jahre widerspiegeln: „Obwohl auf den ersten Blick zeitlos wirkend“, so schreiben die beiden Herausgeberinnen der Publikation, Réjane Bargiel und Sylvie Nissen, „ist der Gruau-Mann in Wahrheit sehr zeitbezogen, geprägt von den Models, Genres und Stars der jeweiligen Periode. Jugendlich, aktiv und athletisch, sophisticated und kunstsinnig, betrachtet er Mode als eine ‚Art de Vivre‘, die ihn mit einer hochaktuellen Aura von Verführertum und Geheimnis umgibt.“
Bargiel, Réjane – Sylvie Nissen: Gruau. Portraits of Men, New York 2012.