Dass Bücher nicht unbedingt eine opulente Ausstattung benötigen, um von hervorragender Qualität zu sein, beweist das 90 Seiten umfassende Bändchen „Posters of the First World War“ aus dem Londoner „Imperial War Museum“ (IWM). Zum Thema Weltkriegs-Plakate hat Senior Art Curator Richard Slocombe eine intelligente Auswahl aus der über 20.000 Objekte umfassenden Kollektion des Museums zusammengestellt – eine Auswahl, die naturgemäß Bekanntes, aber auch erstaunliche Raritäten enthält.
Die britische Plakatproduktion war in den Anfangsjahren des Krieges im Wesentlichen von den Kampagnen für die Rekrutierung von Soldaten geprägt, da es ja in Großbritannien bis 1916 keine allgemeine Wehrpflicht gab. Nigel Steel, der Principal Historian des Museums, stellt in seinem prägnanten Einführungstext die Rahmenbedingungen der diesbezüglichen Werbung dar: Anfangs reichten noch einfache Stellungskundmachungen, doch als die allgemeine Begeisterung rasch abnahm, sah sich das neu gegründete „Parliamentary Recruiting Committee“ veranlasst, mit emotionalen Bildplakaten für das nationale Anliegen einzutreten. Bis Ende 1915 brachte das „Committee“ über 12 Millionen Plakate in 164 verschiedenen Designs heraus.
Im Gegensatz zu Großbritannien war es in Frankreich, Deutschland und Österreich-Ungarn aufgrund der herrschenden Wehrpflicht nicht notwendig, derartige Kampagnen zu fahren. Hier waren es eher die Plakate, die zur Zeichnung von Kriegsanleihen aufforderten, mit denen man die patriotischen Gefühle der Bevölkerung stärken wollte.
Nigel Steel geht in seinem Beitrag auch auf die – von den Prinzipien des modernen Sachplakates geprägten – Beispiele aus Deutschland ein. Und auch in Österreich-Ungarn sieht er eine hohe künstlerische Qualität in der Plakatwerbung während des Ersten Weltkrieges: „In Austria-Hungary too the emphasis was on the high quality of a poster’s design. Tending towards the abstract and culturally refined, Austro-Hungarian posters often lacked passion and urgency. They did not generate the mass emotional appeals seen in British recruitment posters. Austria-Hungary had to be careful. It was a cosmopolitan assembly of many different ethnic groups. If campaigns appealed too strongly to any one of these by highlighting individual folk traditions or regional characteristics, they risked promoting latent desires for independence and autonomy.“
Trotz des geringen Seitenumfanges der Publikation des „Imperial War Museums“ ist Österreich-Ungarn darin sehr repräsentativ vertreten, so etwa mit Entwürfen von Heinrich Lefler, Alois Hans Schram, Adolf Karpellus, Emil Ranzenhofer, Julius Klinger, Alfred Roller, Mihály Biró, Franz Griessler, Fritz Gareis und Oswald Hengst. Besonders interessant sind dabei zwei seltene Plakate, nämlich das nicht signierte Reklameplakat für eine „Nährhefe-Kartoffel-Suppe“ und ein bemerkenswertes polnisches Lotterieplakat zugunsten der Pflege von Kriegsgräbern von Alfred Roller. Beide Raritäten machen die Publikation aus österreichischer Sicht besonders interessant und zeigen auch, wie gründlich im „Imperial War Museum“ die Dokumente zum Ersten Weltkrieg gesammelt wurden.
Steel, Nigel – Richard Slocombe: Posters of the First World War, London 2014.