In einem Gespräch mit Christian Maryška im Jahr 1998 erzählte die damals 89jährige Margit Doppler (auch als Kováts oder Kovács bekannt) im Wiener Café Landtmann über ihre Arbeiten im Bereich des Filmplakates: Margit Doppler (1909-2001) war eine der frühesten und erfolgreichsten österreichischen Gebrauchsgrafikerinnen: Sie begann unter dem Namen Kováts, signierte in der Folge teilweise mit Kovács, war Teil der Ateliers Trio, arbeitete dann im Atelier von Joseph Binder und firmierte nach ihrer Heirat unter dem Namen Doppler. In die Geschichte der Werbung ist sie vor allem mit ihrer Kreation des Kirstein-Blockmalz-Männchens eingegangen.
Maryška: Wo sind Sie geboren?
Doppler: In Wien. Aber als 1918 der Krieg aus war, hätte man optieren müssen, wo man hin will. Meine Mutter hat gesagt, überall hin, nur nicht nach Wien, und dann hat sie gar nichts gemacht. Und ich war staatenlos. Wenn ich nach Budapest zu meinen Freunden fahren wollte, bekam ich einen sogenannten Nansen-Pass. Erst als ich 1935 geheiratet habe, bin ich österreichische Staatsbürgerin geworden.
Meinen Vater habe ich erst kennengelernt, als ich bereits 14 Jahre alt war. Da habe ich in Kurrent unterschrieben mit „Kováts“. Mein Vater hat gesagt, dass seine Papiere verlorengegangen seien. In seinen neuen Papieren war dann sein Name irrtümlich mit „Kovács“ geschrieben. Mein Vater hieß Zoltan Kovács de Kiszalasz.
Maryška: Sie sind in die Graphische gegangen?
Doppler: Ja, ich habe Lithographie von Anfang an gelernt. Wie man den Stein schleift, graviert und ätzt. Heliogravure habe ich auch gelernt. Ich war die einzige in der Klasse, die malen durfte. Mein Lehrer, Prof. Wilhelm Wodnansky, hat gesagt, das ist ausstellungsreif. Prof. Rudolf Larisch hat uns die verschiedenen Schriftarten gelehrt. Prof. Erwin Puchinger hat Plakatentwurf gelehrt. Ich war drei Jahre an der Graphischen. Ich wollte noch ein viertes Jahr machen, Radierung oder Holzschnitt, aber meine Mutter hat gesagt, ich solle lieber Geld verdienen.
Maryška: Wie sind Sie zu den Filmplakaten gekommen?
Doppler: Zwei Wochen nach Abschluss der Graphischen bin ich mit siebzehn ins Atelier Pollak eingetreten. Bei Pollak habe ich mein erstes Gehalt mit hundert Schilling bekommen. Ein Monat später hat er freiwillig hundertzehn Schilling ausbezahlt.
Ins Atelier Pollak bin ich über Empfehlung von Hofrat Ledenik, dem Vater meiner Freundin Gerti Ledenik, gekommen, der wusste, dass ich nach Abschluss der Schule Arbeit suchte.
Maryška: Wie viele Leute haben im Atelier Georg Pollak gearbeitet?
Doppler: Rudolf Kerschbaum. Er war ein Naturtalent und hat nie etwas gelernt, immer frei gezeichnet.
Pollak selber hat nicht gezeichnet. Er hat nur das Atelier am Rennweg geleitet. Der beste Arbeiter war der Anton Ziegler.
Maryška: Bei den Plakaten von Pollak gibt es viele, die nicht signiert sind. Hat er es nicht erlaubt?
Doppler: Es war nicht üblich, die Plakate zu signieren.
Maryška: Das Atelier Pollak hat die Aufträge für die Filmplakate von den Verleihfirmen bekommen?
Doppler: Ja. Die Verleihfirma hat uns den Auftrag gegeben und wir müssen das Plakat in Originalgröße machen. Dann haben wir es auf eine Originalunterlage gegeben und durchgepaust und haben es mit Fettkreide schattiert. Dann ist es erst in die Druckerei gegangen.
Maryška: Die Plakate waren ja teilweise so groß, dass man teilen musste.
Doppler: Ja, in Vier-Bogen und in Zwei-Bogen, Zwei-Bogen war immer für die Schrift und Vier-Bogen für das Figurale.
Maryška: Wie waren die Arbeitszeiten?
Doppler: Von Montag bis Samstag Mittag. Wir hatten zwei Stunden Mittagspause und uns wurde das Fahrgeld nach Hause gezahlt.
Maryška: Wie war die Auftragslage beim Atelier Pollak?
Doppler: Wir waren immer ausgelastet. Das war auch der Grund, warum mein Onkel Hugo meinte, so ein gutes Geschäft könnten wir auch machen und dadurch wurde das Atelier Trio gegründet.
Maryška: Und hat Hugo Brod selber auch Plakate entworfen?
Doppler: Nein, mein Onkel Hugo Brod war nur der Geldgeber, weil wir haben damals Entwurf und Druck übernommen. Ich habe ihm vom Atelier Pollak erzählt und er hat gesagt, das können wir auch machen. Und dann habe ich den ersten Zeichner vom Atelier Pollak, Anton Ziegler, abengagiert und mitgenommen. So war das Atelier Trio gegründet.
Maryška: Haben Sie bei Trio nur Filmplakate entworfen oder haben Sie auch andere Aufträge übernommen?
Doppler: Ein Meinl-Plakat habe ich entworfen. Eine Burgenländerin. Da habe ich mir ein Modell geholt und nach der Natur gemalt und habe auch den Druck überwacht.
Maryška: Welche waren die wichtigsten Auftraggeber?
Doppler: United Artists war der wichtigste Auftraggeber, United Artists war mein Auftraggeber, er wollte nur Plakate von mir haben. Das war der Dr. Hauser.
Maryška: Wie sind Sie konkret bei den Filmplakaten bei der Motivauswahl vorgegangen? Haben Sie Vorlagen bekommen?
Doppler: Ich habe einen Stoß Schwarzweißfotos von jedem Film bekommen. Da konnte ich mir ein Foto als Vorlage aussuchen. Und dann musste ich bei der Voraufführung der Verleihfirma dabei sein, damit ich eine Vision habe, was ich mache. Aber es gab nicht immer eine Voraufführung.
Maryška: Wie viel Zeit verging zwischen Auftragserteilung und Ablieferung?
Doppler: Manchmal habe ich die ganze Nacht durchgearbeitet. Manchmal musste es innerhalb von zwei Tagen fertig sein. Durchschnittlich habe ich ein Plakat pro Monat gemacht. Ich habe zuerst immer einen kleinen Entwurf gemacht. Der wurde der Verleihfirma präsentiert und dann erst habe ich den Entwurf in Originalgröße ausgeführt. Aber ich habe nie mehr als einen Entwurf gemacht, weil sie immer damit einverstanden waren. Zusätzlich habe ich auch kleine querformatige Schriftplakate gemacht. Ein Schriftstreifen, der im Kino selbst aufgehängt wurde, der aber nur zweifarbig sein durfte.
Maryška: Wie kam es zur Schließung des Atelier Trio?
Doppler: Durch die Einführung des Tonfilms gab es viel weniger Aufträge und das Atelier Trio wurde aufgelöst. Als das Atelier geschlossen wurde, hat mein Onkel abgerechnet und festgestellt, dass er nichts verloren hat. Alles was er hereingesteckt hat ist wieder hereingekommen.
Maryška: Gab es auch Konkurrenz unter den Plakatateliers?
Doppler: Ja, die gab es. Ich habe auch kurz im Atelier Otto gearbeitet. Vom Atelier Otto konnte man über die Straße in das Atelier Neumann am Stock-Im-Eisen-Platz im Palais Equitable sehen. Von dort hat Otto Löbl immer herübergeschaut, um zu sehen, was gerade bei Neumann gearbeitet wird. Im Atelier Otto hat ein Herr Zwickar gearbeitet, der zuvor schon bei Binder tätig war, der hat immer ganz schnelle Entwürfe gemacht. Bei Otto war ich nur zwei oder drei Tage, dann hat er gesagt, dass es um die Farbe schade ist und dann bin ich wieder gegangen.
Maryška: Wie sind Sie ins Atelier Binder gekommen?
Doppler: Da bin ich von einem Vertreter hinempfohlen worden. Nebenbei habe ich aber weiter für Dr. Hauser Filmplakate entworfen. Beim Atelier Binder habe ich 250 Schilling im Monat bekommen.
Maryška: Wer hat damals im Atelier Binder gearbeitet?
Doppler: Der erste Zeichner war Lois Gaigg. Dann gab es Peter Tölzer, der dann Architektur studiert hat. Dann gab es noch einen Lehrbuben und den Ledwinka, der kleine Strichzeichnungen gemacht hat. Binder hat damals schon gemeinsam mit seiner Frau Englisch gelernt. Gaigg hat immer meine Entwürfe beurteilt. Ich war spezialisiert auf feine Arbeiten, Köpfe und Blumen.
Maryška: Wissen Sie auch um die Entstehung des Meinl-Mohren Bescheid?
Doppler: Joseph Binder hat in einer Zeitung ein Foto eines Mohren gefunden. Daraus hat er dann den Meinl-Mohren entwickelt. Er hat immer ganz kleine Entwürfe gemacht. Binder hat auch ein rosa-grünes Portal für eine Meinl-Filiale auf der Äußeren Mariahilfer Straße entworfen.
Maryška: Wieso sind Sie wieder vom Atelier Binder weggegangen?
Doppler: Weil die Frau Binder eine Furie war. Sie hat mich angeschrien und ich bin auf der Stelle weggegangen. Aber wenn man im Atelier Binder war, hat man sozusagen die „Edelpolitur“ gehabt. Aber ich habe dann zu Hause in der Kirchengasse 26/12 weitergearbeitet.
Maryška: Haben Sie noch andere Grafiker gekannt?
Doppler: Prof. Eduard Gaertner vom Atelier Gaertner und Kloss hat bei uns in der Künstlersiedlung in Stadlau gewohnt. Einmal war ich im Atelier Gaertner und Kloss und Gaertner wollte von mir wissen, wie ich einen Menschenkopf auffasse, aber der ist mir nicht gut gelungen. Ich besitze noch ein Bild von Prof. Gaertner.
DAS GESPRÄCH FÜHRTE CHRISTIAN MARYŠKA AM 10.12.1998.
Der Tochter von Margit Doppler, Frau Xenia Katzenstein, wird herzlich für die Bereitstellung der Fotos gedankt.