Ein nicht nur verdienstvolles, sondern auch überaus sehenswertes Ausstellungsprojekt wird derzeit im „Jüdischen Museum Wien“ präsentiert. Unter dem Titel „Die bessere Hälfte – Jüdische Künstlerinnen bis 1938“ haben die beiden Kuratorinnen Andrea Winklbauer und Sabine Fellner eine Kunstausstellung der besonderen Art zusammengestellt (bis 1. Mai 2017). Das Anliegen erläutert Museumsdirektorin Danielle Spera in ihrem Katalogvorwort: „Während jüdische Künstler seit langem im Fokus der Forschung, aber auch im Interesse von Sammlern und Museen stehen, führten die jüdischen Künstlerinnen lange ein Schattendasein. Zu Unrecht! Denn jenseits der bekannten Namen wie Tina Blau oder Broncia Koller gab es in Wien und dem Großraum der Donaumonarchie eine ganze Fülle an interessanten Malerinnen, Bildhauerinnen oder Grafikerinnen, die 1938 durch Vertreibung, Emigration oder Ermordung vielfach in Vergessenheit geraten sind.“
Arbeiten der Malerei, Grafik, Bildhauerei und Keramikkunst werden in dieser Ausstellung gezeigt und in einen reflektierten Kontext gesetzt. Das durchaus ergiebige Kapitel der Gebrauchsgrafik wird in der Schau jedoch kaum mit Objekten gewürdigt. Im Ausstellungskatalog findet das Thema allerdings in einem interessanten Artikel von Christian Maryška eine entsprechende Würdigung.
Maryška stellt in seinem Beitrag zu allererst jene Arbeiten von Hermine Heller-Ostersetzer und Nelly Marmorek vor, die im legendären Vorlagenwerk „Die Fläche“ zu finden sind. „Die Fläche“ stellte offensichtlich auch für Frauen ein Publikationsorgan für avantgardistische Arbeiten dar. Besonders vermögen da die Grafiken von Nelly Marmorek, Ehefrau des bekannten Architekten Oscar Marmorek, in ihrem direkten Bezug zu den Gestaltungsideen der Secession zu überzeugen. Von Nelly Marmorek stammt ebenso eines der interessantesten Wiener Plakate der Jahrhundertwende, wenngleich dieses Blatt für ein „Nikolo-Fest in Alt-Wien“ aus dem Jahr 1902 nur wenig bekannt ist und auch in der Ausstellung nicht gezeigt wird.
Maryška erinnert in seinem Beitrag auch an die Klinger-Schülerin Hansi Rosner, an Henriette Goldenberg, Hanna Schiff, Melly Bachrich und Anna Leznai. Besonders hervorzuheben ist seine Erwähnung der überaus begabten und aktiven Lisl Weil, die zu den leider unterschätzten Künstlerpersönlichkeiten Österreichs gehört. Bereits mit 19 Jahren wurde sie zu einer wichtigen Illustratorin der Kulturzeitschrift „Die Bühne“, für die sie zahlreiche Titelblätter gestaltete. 1939 konnte sie mit ihrer Familie vor dem Nazi-Terror in die USA fliehen, wo sie zu einer der bedeutendsten Kinderbuchautorinnen und -illustratorinnen wurde.
Internationale Wahrnehmung erreichte Lili Réthi bereits vor ihrer Flucht in die USA. So trat sie als wichtige Buchillustratorin in der deutschen Verlagslandschaft auf und konnte in den späten 1930er Jahren auch Plakate für britische Eisenbahngesellschaften gestalten. Motivischer Schwerpunkt war Zeit ihres Lebens die Welt der Technik, und diese Linie konnte Réthi auch nach ihrer Emigration in die USA mit vielen Aufträgen aus der Wirtschaft weiterführen.
Ausstellung und Katalog zeigen wieder einmal deutlich, welch großen Verlust Deutschland und Österreich durch den mörderischen Rassenwahn der Nationalsozialisten erlitten haben. Thema der Ausstellung sind jene Frauen, die bereits vor der Verfolgung als Künstlerinnen tätig waren. Insbesondere im Bereich des Grafikdesigns gibt es darüber hinaus Persönlichkeiten, wie etwas Susi Hochstimm oder Dorit Dekk, denen als Jugendlichen die Flucht gelang und die dann in ihren Zufluchtsländern bedeutende Positionen als Grafikdesignerinnen erreichen konnten.
Winklbauer, Andrea – Sabine Fellner (Hrsg.): Die bessere Hälfte – Jüdische Künstlerinnen bis 1938, Wien 2016.
Weitere Hinweise:
Jüdisches Museum Wien