1934: Propaganda aus dem linken Widerstand

Erste Ausgabe der in Brünn erschienenen Exil-Ausgabe der „Arbeiter-Zeitung“ vom 25. Februar 1934

So wie der Bürgerkrieg im Februar 1934 in Österreich zwischen rechts und links mit sehr ungleichen Waffen ausgetragen wurde, so spiegelte auch die Art der propagandistischen Auseinandersetzungen die realen Machtverhältnisse deutlich wider. Nach der Ausschaltung der parlamentarischen Demokratie am 4. März 1933 verfolgte die Regierung unter Bundeskanzler Dollfuß konsequent ihren Weg in ein autoritäres, diktatorisches System. Am 24. März wurde über die beiden sozialdemokratischen Tageszeitungen, die „Arbeiter-Zeitung“ und „Das Kleine Blatt“, die Vorzensur verhängt. Ebenfalls im März wurde die sozialdemokratische Wehrorganisation, der „Republikanische Schutzbund“, verboten, im Mai dann die „Kommunistische Partei Österreichs“. Auch die traditionellen Mai-Aufmärsche der Arbeiterbewegung wurden in diesem Jahr untersagt. Im selben Monat wurde die „Vaterländische Front“ als Sammelbewegung aller regierungstreuen Kreise gegründet. Am 11. September 1933 verkündete Kanzler Engelbert Dollfuß in seiner programmatischen Rede auf dem Wiener Trabrennplatz: „Die Zeit der Parteienherrschaft ist vorbei! Wir lehnen Gleichschalterei und Terror ab, wir wollen den sozialen, christlichen, deutschen Staat Österreich auf ständischer Grundlage, unter starker, autoritärer Führung!“ Im November 1933 wurde die Todesstrafe eingeführt, ab Januar 1934 durfte die sozialdemokratische „Arbeiter-Zeitung“ nicht mehr öffentlich verkauft werden, sondern nur über den Postversand verbreitet werden. Das Regime selbst nutzte hingegen die ihm reichlich zur Verfügung stehenden medialen Möglichkeiten zur Propagierung seines politischen Konzepts.

Die Sozialdemokratie im Zweifronten-Kampf gegen Heimwehr-Faschismus und Nationalsozialismus, Flugblatt 1933

Die Lage zwischen dem linken und dem rechten Lager hatte sich immer mehr zugespitzt, wobei der Regierung eben alle Möglichkeiten des staatlichen Gewaltmonopols zur Verfügung standen und die Sozialdemokratie immer mehr strukturell geschwächt wurde. Daher war der Ausbruch des Bürgerkrieges am 12. Februar 1934 für die Leitung der Sozialdemokratischen Partei eher überraschend, dementsprechend desorganisiert verlief der bewaffnete Widerstand gegen das autoritäre Regime. Der rechte Wehrverband „Heimwehr“, die Polizei und das Bundesheer brachten die Lage rasch unter Kontrolle. Auf Seiten der beiden Konfliktparteien gab es über 300 Tote und noch viel mehr Verletzte. Neun Schutzbündler wurden nach standrechtlichen Urteilen hingerichtet. Die Sozialdemokratische Partei und alle ihre Organisationen wurden verboten. Hunderte Sozialdemokraten wurden inhaftiert, viele flohen ins Ausland, vor allem in die Tschechoslowakei, wo in Brno/Brünn das „Auslandsbüro der österreichischen Sozialdemokraten“ installiert wurde. Dort wurde die „Arbeiter-Zeitung“ als Wochenzeitung im Kleinformat herausgegeben und mit verschiedenem Propagandamaterial nach Österreich geschmuggelt.

Vorder- und Rückseite eines sozialdemokratischen Erinnerungsblattes vom Jänner 1935

In der ersten Ausgabe dieser außerhalb Österreichs hergestellten „Arbeiter-Zeitung“ hieß es, dass es die Aufgabe des Auslandsbüros sei, „den Kampf der Genossen in Österreich durch Sendung von Zeitungen, von Flugschriften und Broschüren zu unterstützen“. Aber auch im Land selbst wurde einiges an Flugblättern und Streuzetteln produziert. Dabei spielten die „Revolutionären Sozialisten“, die von linken Sozialdemokraten wenige Tage nach dem Bürgerkrieg gegründet worden waren, eine entscheidende Rolle. Walter Wisshaupt schrieb in seiner Arbeit „Widerstand und Verfolgung in Wien 1934–1945“ über deren Aktivitäten: „Die Revolutionären Sozialisten bemühten sich vor allem, öffentlich in Erscheinung zu treten, um zu zeigen, daß die Sozialdemokratie nicht untergegangen ist. Es wurden Blitzkundgebungen abgehalten, Parolen auf Hausmauern und Straßen gemalt, Streuzettel verbreitet und Pickerln angeklebt. Wichtige Flugblätter hatten eine Auflage bis zu 100.000 Stück. 1935 wurden über vier Millionen und 1936 über 32 Millionen zentral hergestellte Streuzettel verbreitet.“

Links oben und unten: Streu- und Klebezettel der „Revolutionären Sozialisten“, 1935 / Rechts: Kommunistische Broschüre „Volksgericht über die Verräter an Lenins Werk“ in Zusammenhang mit dem 2. Moskauer Schauprozess, getarnt in einer Verpackung für Pudding-Pulver

Die Kommunisten, die bis zum Februar 1934 in Österreich eine eher unbedeutende Kleinpartei gewesen waren, gewannen in der Illegalität durch den Zulauf von enttäuschten Sozialdemokraten an Bedeutung. Die Strategie der Kommunisten war es, eine Aktionseinheit aller Arbeiter für den Kampf gegen den Faschismus zu formen, wobei es auch zu zeitweisen Kooperationen mit den „Revolutionären Sozialisten“ kam.

Streuzettel der Kommunisten: in dem erwähnten Wöllersdorf waren Regimegegner in einem sogenannten „Anhaltelager“ inhaftiert worden

Der Ständestaat führte nicht nur einen Kampf gegen die Linke, sondern auch gegen die immer stärker werdende extreme Rechte. Im Juli 1934 kam es zu einem Putschversuch der Nationalsozialisten, bei dem Bundeskanzler Dollfuß ermordet wurde. Die beiden bedeutenden politischen Lager der Ersten Republik hatten einander so lange bekämpft, bis mit dem Nationalsozialismus eine brutale, antidemokratische Kraft die Oberhand gewann. Die Exponenten des bisherigen Regimes erlitten dann selbst das Schicksal der Verfolgung. Erst aus diesen leidvollen Erfahrungen konnte – trotz aller Brechungen – eine konstruktive Basis für eine im Wesentlichen erfolgreiche Zweite Republik gefunden werden. Peter Pelinka bringt es in seiner Studie „Die gescheiterte Republik“ auf den Punkt: „Die politischen Eliten, die für die Katastrophen der (Ersten) Republik verantwortlich waren, hatten ihr Verhalten geändert. Die Republik wurde nun zum Lehrbeispiel dafür, wie eine Politische Kultur, die nichts anderes war als das Neben- und Gegeneinander von Subkulturen, zu einer Politischen Kultur der Teilung von Macht wird. An die Stelle einer Republik, geprägt von einander misstrauisch beäugenden, sich in Festungen einschließenden Lagern, die sich weigerten aus ihren Partialinteressen heraus Gemeininteressen zu entwickeln, trat die (Zweite) Republik und wurde zu einem Muster erfolgreicher Konkordanzdemokratie.“

Literatur:
Denscher, Bernhard: Bürgerkrieg der Propaganda. Plakate, Flugblätter und Zeitungen 1933–1938, Wien 1984.
Pelinka, Peter: Die gescheiterte Republik. Kultur und Politik in Österreich 1918–1938, Wien 2017.
Wisshaupt, Walter: Widerstand und Verfolgung in Wien 1934–1945. Eine Dokumentation, 1.Bd: 1934–1938, 2. Aufl., Wien 1984.
Wisshaupt, Walter: Wir kommen wieder. Eine Geschichte der Revolutionären Sozialisten Österreichs 1934–1938, Wien 1967.