„Was hat es für einen Sinn, Hitler komisch und mit nur einem Zahn im Maul zu zeichnen? Die Hitlerleute freuen sich höchstens über diesen ohnmächtigen, am wirklichen Punkt vorbeischießenden Grimm“, ärgerte sich Arthur Stadler in einem Brief an seinen schwedischen Bekannten Anders Viktor Johansson über die, seiner Meinung nach, untauglichen Versuche mancher internationaler Grafikerkollegen, auf die Diktatur des Nationalsozialismus mit harmlosen Späßen zu reagieren.[1]
Arthur Stadler war selbst einen Großteil seines Lebens als politisch engagierter Künstler aktiv und er schuf dabei Karikaturen, die zu den schlagkräftigsten Beispielen der gegen den Nationalsozialismus gerichteten Bildpropaganda gehören.
Nach einer Schlosserlehre ging der am 23. Juli 1892 in Wien geborene Stadler an die Wiener Kunstgewerbeschule, wo Bertold Löffler einer seiner Lehrer war.[2] Neben seiner bildnerischen Ausbildung studierte Stadler auch Gesang und trat in der Folge immer wieder als Sänger in professionellem Rahmen auf.
Nach dem Studium arbeitete er für die populäre Zeitschrift „Der Floh“, bis er 1914 seinen Militärdienst antreten musste. 1915 hatte er mit Zeichnungen aus dem Krieg einen ersten Ausstellungserfolg in der renommierten Galerie Arnot. Die Bilder waren ungeschönte Momentaufnahmen vom Frontgeschehen, und sie waren derart realistisch, dass sie propagandistisch nicht verwertbar waren. Deshalb wurden 200 Stück umgehend vom Heeresmuseum aufgekauft und unter Verschluss gehalten. Später, im Jahr 1930, veröffentlichte Stadler die Mappe „Gesichter“ mit 42 Antikriegszeichnungen, die er aufgrund der großen Nachfrage zwei Jahre später noch einmal unter dem Titel „1914–?“ in Den Haag herausbrachte.
Anlässlich der ersten Wahlen der Republik Österreich schuf Stadler 1919 für die liberale „Bürgerlich-demokratische Partei“ ein aufsehenerregendes Plakat, das in seiner Expressivität und originellen typografischen Gestaltung durchaus den frühen avantgardistischen politischen Plakaten der Weimarer Republik gleichkommt.
Anfang der zwanziger Jahre ging Arthur Stadler nach Skandinavien. Nach einem erfolglosen Zwischenstopp in Kopenhagen fand er in Stockholm Arbeit als Zeichner bei der Zeitung „Aftonbladet“. Nach einem Jahr übersiedelte er nach Oslo (damals noch Christiania), um für das „Morgenbladet“ als Illustrator tätig zu sein. 1923 kehrte Stadler wieder nach Wien zurück. Hier fand er bei der linksliberalen Zeitung „Der Abend“ eine Anstellung als Karikaturist. Daneben war er noch für eine Reihe weiterer österreichischer Zeitschriften als Zeichner und auch als Autor tätig.
Anlässlich der Nationalratswahlen des Jahres 1927 entwarf Stadler zwei regierungskritische Plakate für die Sozialdemokratische Partei. Anfang der 1930er Jahre intensivierte er nach einem vergeblichen Versuch, in Berlin und Amsterdam beruflich Fuß zu fassen, seine Tätigkeit für die österreichischen Sozialdemokraten. Von den vielen Beispielen seiner Arbeit für die verschiedensten Medien dieser Partei waren wohl jene für die Zeitschrift „Der Kuckuck“ künstlerisch von größter Bedeutung.[3] Für das Bildmagazin lieferte Stadler Zeichnungen und große Fotocollagen nach Vorbild jener Grafiken, die John Heartfield für die deutsche „Arbeiter-Illustrierte-Zeitung“ schuf.
Zu den letzten Arbeiten von Arthur Stadler, der am 11. April 1937 in Wien starb, gehörte ein Porträt von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg. Obwohl er ein engagierter Linker war, hatte Stadler zu einem Arrangement mit dem rechten autoritären Regime gefunden, weil er im Nationalsozialismus den wahren Feind sah. Bereits im Jahr 1934 hatte er in einem Brief an Anders Viktor Johansson nach Schweden geschrieben: „Es wäre schade, wenn der Versuch, Österreich seine Unabhängigkeit von Hitlerdeutschland zu erhalten, misslingen würde. Hinter dieser Erwägung muss alles Andere zurückstehen.“[4]
[1] Aus einem Brief Arthur Stadlers an Anders Viktor Johansson, Arbetarrörelsens arkiv och bibliotek (Archiv und Bibliothek für die Arbeiterbewegung), Stockholm, Bestand A.V. Johansson, vom 24.9.1934, zitiert nach: Riesenfellner, Stefan – Josef Seiter: Der Kuckuck. Die moderne Bild-Illustrierte des Roten Wien, Wien 1995, S. 39.
[2] Vgl. dazu in der Folge das verbale „Selbstporträt“ von Arthur Stadler in der Zeitschrift „Moderne Welt“ (1925/15, S. 15–17) und Valdez, Marino: „Du bist gemeint“. Wiederentdeckt: der Maler Arthur Stadler (1892–1937), in: Vernissage 1984/7, S. 10f.
[3] Riesenfellner – Seiter, Fußnote 1, S. 37–40.
[4] Aus einem Brief Arthur Stadlers an Anders Viktor Johansson, Arbetarrörelsens arkiv och bibliotek (Archiv und Bibliothek für die Arbeiterbewegung), Stockholm, Bestand A.V. Johansson, vom 13.3.1934, zitiert nach: Riesenfellner – Seiter, Fußnote 1.
Printpublikation in: Bernhard Denscher, Gebrauchsgrafik aus Österreich. 51 Lebensläufe. Aesculus Verlag, Wolkersdorf 2022, S. 152–153.