Wie so manche seiner Kolleginnen und Kollegen hatte Victor Schufinsky seine künstlerisch ergiebigste und der Moderne zugewandte Zeit in ganz jungen Jahren: zunächst als Student der Kunstgewerbeschule in Wien, die er bis 1902 besuchte, und dann als junger Lehrer in der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt. Und wie bei kaum einem anderen Künstler konzentrierten sich bei Schufinsky seine – vor allem gebrauchsgrafischen – Erfolge auf zwei Jahre, nämlich 1902 und 1903.
Geboren wurde Victor Schufinsky am 28. Juli 1876 als Sohn des Kaufmanns Julius Schufinsky und dessen Frau Sidonia in Wien, wo er in der Pfarre St. Johann Nepomuk im 2. Wiener Gemeindebezirk katholisch getauft wurde.[1] Sein Vater war später Lehrer für Stenografie und betätigte sich in diesem Bereich auch publizistisch. Victor Schufinsky erhielt seine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule unter anderem bei Felician Myrbach und war um die Jahrhundertwende unmittelbarer Zeitzeuge der Hochblüte dieser Institution, in der damals unter anderem Josef Hoffmann, Kolo Moser und Alfred Roller als Lehrer tätig waren. In diesem prosperierenden kreativen Umfeld konnte Schufinsky bereits früh seine grafischen Arbeiten veröffentlichen. So finden sich etwa Zeichnungen von ihm in dem legendär gewordenen Buch „Schwarz auf Weiß. Wiener Autoren den Wiener Kunstgewerbeschülern zu ihrem Feste am 6. Februar 1902“, das als Festalmanach für den Ball der Kunstgewerbeschule publiziert wurde.[2] Schufinskys darin erschienene Zeichnungen zeigten seinen ganz speziellen Sinn für einen bisweilen skurrilen, eigentlich schon surrealen Humor. Wegen des großen Erfolges der Ballspende wurde das Buch in der Folge vom Leipziger Verlag Heinrich Blömer unter dem Titel „Schwarz auf Weiss. Humor und Satyre beliebter Autoren und Künstler. Mit 60 Originalzeichnungen und Buchschmuck“ herausgebracht.
1902 waren auch Arbeiten aus Schufinskys Studienzeit in dem in Fortsetzungen erscheinenden Vorlagenwerk „Die Fläche“ zu finden.[3] Die darin enthaltene Auswahl seiner Arbeiten dokumentiert anschaulich seine vielfältigen gestalterischen Begabungen. So finden sich neben grafischen Beispielen auch ein „Dekorativer Entwurf für ein Kinderspielzimmer“, ein Ladenschild, ein „Flächendecor“ und ein Entwurf zu einem Zeitungsinserat.
1903 war für Schufinsky durchgehend ein sehr produktives Jahr: Er veröffentlichte drei Original-Holzschnitte in „Ver Sacrum“ [4] und er wurde Mitarbeiter des neu gegründeten humoristisch-satirischen Wochenblattes „Lucifer“, das ab Anfang März 1903 erhältlich war.[5] Die Illustrierte nach Vorbild des Münchner „Simplicissimus“[6] enthielt grafische Beiträge „von der Hand vortrefflicher Wiener Künstler“[7]. Dazu zählten neben Schufinsky auch Otto Frey, Hans Kalmsteiner, Anton Kling und Berthold Löffler.
Schufinskys wohl bekannteste Arbeit war das Werbeplakat für diese Zeitschrift, das in kaum einer Darstellung zur Wiener Kunst und Kultur um 1900 fehlt.[8] Schon Wochen vor dem Erscheinen des Blattes war die Affiche ein wirkungsvoller Eyecatcher von beachtlicher Größe (188×63 cm) in den Straßen Wiens gewesen.[9] Eine zeitgenössische Fotografie von August Stauda zeigt eine Plakatwand am Rennweg in Wien, auf der man zwei Exemplare mit dem applizierten Hinweis „ERSCHEINT AM 7. MÄRZ“ erkennen kann.[10] Dem so beworbenen Wochenblatt selbst war jedoch keine lange Existenz beschieden, was offensichtlich nicht an der mangelnden Qualität lag, sondern am satirischen Zündstoff, den es bot. Insbesondere den deutschen Behörden ging das Blatt, das gleichzeitig mit Wien auch in Berlin und Leipzig herauskam, in ihrer politischen Kritik zu weit. Zunächst wurde für einzelne Nummern der Straßenverkauf in Berlin untersagt[11], dann wurde das Blatt für zwei Jahre in Deutschland gänzlich verboten[12], was für das Projekt das generelle Aus bedeutete.
Gegen Ende des Jahres 1903 folgte für Schufinsky als abschließender Höhepunkt noch eine Ausstellungsbeteiligung im renommierten „Kunstsalon Pisko“. Es war eine Schau junger Absolventen und einer Absolventin der Kunstgewerbeschule, an der sich neben Schufinsky, der die Dekoration für eine Hauskapelle präsentierte, auch Max Benirschke, Bruno Emmel, Alexander Hartmann, Otto Hofner, Antoinette Krasnik und Berthold Löffler beteiligten.[13]
In jenem Jahr konnte Victor Schufinsky auch erfolgreich ins Berufsleben einsteigen, denn von 1903 bis 1905 war er als Assistent für Zeichnen und Malen in der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien tätig. Von 1905 bis 1915 war er dann Lehrer, zuletzt Professor, an der Fachschule für Tonindustrie in Znaim / Znojmo.
Im Ersten Weltkrieg arbeitete Schufinsky im Bereich der Propaganda im k.u.k. Kriegspressequartier, wo er unter anderem sogenannte „Vivatbänder“ und Kriegsbilderbogen entwarf.[14] Gemeinsam mit seiner Frau Lina verfasste und gestaltete er auch das 1916 publizierte Bilderbuch „Unsere Jugend und der Krieg“ zugunsten des „Kriegsfürsorgeamtes“. Wie bei einigen seiner Kollegen der Avantgarde von 1900 scheint der Weltkrieg und die Arbeit im Propagandabereich auch bei ihm zu einer stilistischen Rückentwicklung in eine Art neuen Konservativismus mit zum Teil neobiedermeierlichen Ansätzen geführt zu haben.
1919 wurde Victor Schufinsky an die Wiener Kunstgewerbeschule berufen, wo sein Augabenfeld folgendermaßen beschrieben wurde: „Leiter Allg. Abt. ‚Naturstudium‘ (und Studium der menschlichen Gestalt), Offener Aktzeichensaal der Frauen, Allg. Aktzeichnen, 1927–1934 zusätzlich Jugendkunstklasse“[15].
Neben seinem Lehrberuf war Schufinsky in unterschiedlicher Weise kunstgewerblich tätig: So schuf er neben Druckgrafiken auch Entwürfe für Porzellan und Keramik, gestaltete Bücher und widmete sich der Gestaltung von Postwertzeichen, Werbemarken und Banknoten.
So erfolgreich er als Künstler und mehr noch als Lehrer war, so unglücklich verlief Schufinskys Privatleben: 1920 verlor er seine erste Frau Lina durch einen Feuerunfall[16], am 7. Oktober 1947 beging er Suizid – laut Zeitungsbericht wegen seiner eigenen schweren Krankheit und eines unheilbaren Leidens seiner Frau Theresia, die er 1925 geheiratet hatte.[17] Victor Schufinsky wurde am 21. Oktober 1947 in einem Urnengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben, seine Frau folgte, erst 53 Jahre alt, am 7. Mai 1948.
[1] Taufbuch der Pfarre „St. Johann Nepomuk“ im 2. Wiener Gemeindebezirk.
[2] Schwarz auf Weiß. Wiener Autoren den Wiener Kunstgewerbeschülern zu ihrem Feste am 6. Februar 1902. Mit Originalzeichnungen und Buchschmuck von Wiener Kunstgewerbeschülern. Wien: Selbstverl. des Comités für das Fest der Kunstgewerbeschüler, 1902.
[3] Die Fläche, Wien [1902], 1. H., S. 4, 7; 3. H., S. 33, 44, 45, 47.
[4] Ver Sacrum. Mittheilungen der Vereinigung bildender Künstler Österreichs, 1903, 13. H., S. 231, 235, 241.
[5] Orosz, Eva-Maria: Victor Schufinsky, in: Storch, Ursula (Hrsg.): Kraftflächen. Wiener Plakatkunst um 1900, Wien 2003, S. 126.
[6] Novitäten-Anzeiger für den Colportage-Buchhandel, 15.3.1903, S. 3.
[7] Pilsner Tagblatt, 10.3.1903, S. 3.
[8] In den Kanon der angewandten Grafik Österreichs bereits aufgenommen durch: Mascha, Ottokar: Österreichische Plakatkunst, Wien 1915, S. 93. In „Kossatz, Horst Herbert: Ornamentale Plakatkunst. Wiener Jugendstil 1897–1914, Salzburg 1970“ findet sich der irreführende Hinweis, dass das Plakat ein „Nachtkabarett“ bewerben sollte (Tafel 17). Eine Zuordnung, die sich dann auch in der nachfolgenden Literatur wiederfindet, wie etwa: Denscher, Bernhard: Österreichische Plakatkunst 1898–1938, Wien 1992, S. 83f. – und im Lexikoneintrag zu Schufinsky im Österreichischen Biographischen Lexikon, 11. Bd, S. 307.
[9] Danzers Armee-Zeitung, 12.3.1903, S. 10.
[10] Siehe Fußnote 5, S. 100.
[11] Wiener Sonn- und Montags-Zeitung, 20.7.1903, S. 6; Extrapost, 20.7.1903, S. 5.
[12] Illustrirtes Wiener Extrablatt, 5.12.1903, S. 5; Pilsner Tagblatt, 6.12.1903, S. 4.
[13] Ostdeutsche Rundschau, 10.11.1903, S. 9.
[14] Jobst-Rieder, Marianne – Alfred Pfabigan – Manfred Wagner: Das letzte Vivat. Plakate und Parolen aus der Kriegssammlung der k.k. Hofbibliothek, Wien 1995, S. 91.
[15] Kunst: Anspruch und Gegenstand. Von der Kunstgewerbeschule zur Hochschule für Angewandte Kunst in Wien, Salzburg 1991, S. 361.
[16] Arbeiter-Zeitung, 14.9.1920, S. 5.
[17] Wiener Zeitung, 10.10.1947, S. 3.
Aktualisierte Fassung vom 17. Juli 2021.